Imagica
»Hast du vor, mich mit einer anderen Frau zu verkuppeln?«
Er trat einen Schritt näher, und aus einem Reflex heraus wich Judith zurück - sie wollte jetzt nicht von ihm berührt 1013
werden.
»Ich schwöre hiermit, daß ich keine Celestine kenne. Meine Gefühle gelten allein dir...«
»Darüber möchte ich jetzt nicht reden.«
»Was legst du mir zur Last?« fragte Gentle. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. In diesem Zusammenhang bin ich bereit, jeden Eid zu leisten, den du von mir verlangst.«
Er preßte beide Hände auf die Brust. »Du verletzt mich, Judith.
Ganz gleich, ob das deiner Absicht entspricht oder nicht: Du verletzt mich.«
»Solche Schmerzen sind eine ganz neue Erfahrung für dich, wie?«
»Geht es dir darum? Eine emotionale Lektion? Wenn das der Fall ist... Bitte quäl mich nicht länger. Laß uns Frieden schließen. Ich habe schon genug Feinde - muß ich jetzt auch deine Angriffe fürchten?«
»Ich greife dich nicht an«, sagte Jude. »Mir liegt wirklich nichts an einem Kampf.«
»Gut.« Gentle breitete die Arme aus. »Dann komm zu mir.«
Sie rührte sich nicht von der Stelle.
»Judith.«
»Ich möchte, daß du mit Celestine redest. Ich habe ihr versprochen, dir Bescheid zu geben, und ich stünde als Lügnerin da, wenn du nicht zu ihr gehst.«
»Na schön, ich besuche sie. Aber ich kehre zu dir zurück, verlaß dich drauf. Wer auch immer sie ist, wie auch immer sie aussieht - ich will nur dich.« Gentle zögerte kurz. »Jetzt mehr denn je«, fügte er hinzu.
Judith wußte: Er wollte, daß sie nach dem Grund fragte.
Doch sie lehnte es zunächst ab, ihm diesen Wunsch zu erfüllen, und schwieg ganze zehn Sekunden lang. Schließlich erlag sie der Neugier.
»Warum jetzt mehr denn je?«
»Eigentlich wollte ich es dir noch nicht sagen...«
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»Heraus damit.«
»Wir werden ein Kind bekommen, Judith.«
Sie starrte ihn an und wartete darauf, daß er die letzte Bemerkung erläuterte. Hatte er eine Waise von der Straße aufgelesen? Plante er, ein Baby aus Imagica hierher in die Fünfte zu bringen? Doch er meinte etwas anderes, und ihr schneller pochendes Herz wußte es. Er meinte ein Kind, dessen Eltern Judith und Gentle hießen.
»Mein erster Sohn«, sagte er. »Und das gilt auch für dich, nicht wahr?«
Jude wollte ihn einen Lügner nennen. Wie konnte er von ihrer Schwangerschaft wissen, obwohl sie noch gar nichts spürte? Doch er schien völlig sicher zu sein.
»Ein Prophet wächst in dir heran«, sagte er.
Und plötzlich erinnerte sich Judith. Sie dachte an den blauen Stein, der ihr eine Reise durch den eigenen Körper ermöglicht hatte. Sie entsann sich an das andere Lebenssymbol, an das in ihr reifende Ich: eine Stadt im Dschungel, lebendes Wasser; ein verletzter Gentle, der kam, um das Ei von ihr entgegenzunehmen - vielleicht die erste Prophezeiung ihres Sohnes?
»Wir haben uns auf eine Art und Weise geliebt, wie es keinem anderen Bewohner dieser Domäne möglich ist«, sagte Gentle. »Und das Ergebnis davon trägst du jetzt unter deinem Herzen.«
»Wolltest du ein solches Resultat erzielen?«
»Nun, ich habe gehofft...«
»Ohne mich zu fragen? Ohne dir meine Meinung anzuhören?
Bin ich nur eine Gebärmutter für dich?«
»Natürlich nicht.«
»Bin ich nur ein Körper, der dazu dient, einen anderen Körper wachsen zu lassen?«
»Warum stellst du es so grotesk dar?«
»Weil es grotesk ist.«
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»Unsinn. Wie kann etwas, das von uns beiden kommt, weniger als perfekt sein?« Gentle sprach jetzt mit fast religiösem Eifer. »Ich veränderte mich, Schatz. Ich stelle fest, was es damit auf sich hat, zu lieben und zu verehren, für die Zukunft zu planen. Du veränderst mich.«
»Und was hat es mit dem Wandel auf sich? Wird aus dem großartigen Liebhaber nun ein großartiger Vater? Ein neuer Tag, ein neuer Gentle?«
Er schien eine Antwort auf der Zunge zu haben, schluckte sie jedoch hinunter.
»Wir wissen, was wir uns gegenseitig bedeuten«, sagte er.
»Und das sollten wir auch zeigen. Judith...« Die Arme waren noch immer ausgebreitet, aber sie achtete nicht darauf. »Als ich hierherkam... Ich gestand meine Fehler ein und bat dich um Verzeihung. Diese Bitte wiederhole ich nun.«
Sie senkte den Kopf und schüttelte ihn. »Geh fort.«
»Ich spreche mit Celestine, wenn du unbedingt willst. Doch ich möchte, daß du etwas schwörst, bevor ich zu ihr gehe: Versuch nicht, der Frucht unserer Liebe zu schaden.«
»Zum Teufel mit dir.«
»Es geht dabei
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