Imagica
Problemlosigkeit, mit der er diese Welt unterwerfen konnte.
Sie hatten versucht, sich zu verstecken, sich in entlegenen Schlupfwinkeln zu verkriechen, doch ihre Bemühungen blieben ohne Erfolg. Sartori folgte ihren Spuren und tötete sie alle - bis auf einen. In keinem Fall brauchte er mehr Zeit als 100
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nur einige Minuten. Jeder von ihnen gab sein, beziehungsweise jede gab ihr Leben fast bereitwillig auf, mit nur wenigen Tränen und Gebeten. Nun, das überraschte ihn kaum. Männer mit starkem, unerschütterlichem Willen waren ihre Vorfahren gewesen, doch selbst das heldenhafteste Blut wurde im Laufe der Generationen dünner: Die Kinder der Kinder der Kinder -
und so weiter - stellten sich als rückgratlose Feiglinge heraus.
Die einzige wirkliche Überraschung in dieser Domäne erwies sich als sehr angenehm und bestand aus jener Frau, zu der er zurückkehrte: die unvergleichliche, die ewige Judith.
Zum erstenmal hatte er sie in Quaisoirs Quartier gekostet, als er sie mit seiner Gemahlin verwechselte und auf dem von Schleiern umhüllten Bett liebte. Später, als er Vorbereitungen dafür traf, Yzordderrex zu verlassen, erzählte ihm Rosengarten von Quaisoirs ausgestochenen Augen - und erwähnte auch die Präsenz eines Doppelgängers im Palast. Es war der letzte Bericht, den er als treuer und zuverlässiger Truppenkommandeur erstattete. Einige Minuten später befahl ihm der Autokrat, ihn zur Fünften Domäne zu begleiten, doch Rosengarten zögerte und meinte, die Zweite sei seine Heimat, Yzordderrex sein ganzer Stolz. Wenn es mit der Stadt zu Ende ginge, so fügte er hinzu, wolle er mit ihr sterben, im Licht des Kometen.
Sartori fühlte sich im Augenblick versucht, ihn wegen Ungehorsam zu bestrafen, doch er wollte nicht mit Blut an den Händen in sein neues Reich wechseln, er ließ den Kommandeur gehen und brach in der Überzeugung auf, daß die Frau, die er auf Quaisoirs Bett geliebt hatte, irgendwo in der Stadt hinter ihm weilte. Aber kaum setzte er eine Maske auf, die aus dem Selbst seines Bruders bestand, als er ihr erneut begegnete, in Kleins Garten aus Plastikblumen.
Er schenkte Omen immer Beachtung, ganz gleich wie sie beschaffen sein mochten. Judiths neuerliches Erscheinen in seinem Leben bewies ihm, daß sie zusammengehörten, und er 1009
glaubte, daß sie ebenso empfand, tief in ihrem Innern. Hier war die Frau, die am Anfang der langen Liste aus Tod und Verzweiflung stand - das Bestreben, sie und ihre Liebe zu bekommen, bildete den Ausgangspunkt für zwei Jahrhunderte des Elends. Und doch... In ihrer Gesellschaft fühlte sich Sartori erneuert, als erinnerte ihr Anblick seine Zellen daran, was er vor dem Fall gewesen war. Jetzt bekam er eine zweite Chance, die Gelegenheit, noch einmal mit dem Wesen anzufangen, das er liebte, ein Reich zu schaffen, dessen erhabene Pracht die Erinnerungen an sein früheres Versagen tilgte. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß sie zueinander paßten - den Beweis dafür hatte der Geschlechtsakt in Quaisoirs Bett erbracht. War eine bessere, vollständigere Verschmelzung von Erotik und Lust überhaupt denkbar?
Als er anschließend den Palast verließ und die Stadt aufsuchte, mordete er dort mit ganz neuer Leidenschaft.
Nun, sicher dauerte es eine Weile, bis Judith begreifen würde, daß ihre Ehe vom Schicksal bestimmt war. Sie hielt ihn für den anderen, mochte enttäuscht und sogar wütend sein, wenn sie die Wahrheit erfuhr. Aber früher oder später gelang es ihm bestimmt, ihren Widerstand zu überwinden. Ihm blieb gar keine andere Wahl. Es gab Entsetzliches, selbst in dieser fröhlichen, munteren Metropole: leise Stimmen, die von einem Verderben flüsterten, das selbst einen Oviaten erschrecken konnte. Judith würde ihn vor solchem Grauen bewahren, würde seinen Schweiß trocknen und ihn in den Schlaf wiegen.
Er rechnete nicht im mindesten damit, daß sie ihn zurückwies.
Zu groß war sein Anspruch auf sie: der Keim eines Kindes, vor zwei Nächten unter ihrem Herz gepflanzt.
Zum erstenmal kündigte sich Nachwuchs für Sartori an.
Zusammen mit Quaisoir hatte er mehrmals versucht, eine Dynastie zu gründen, aber es kam immer wieder zu einer Fehlgeburt. Später vergiftete er sich mit soviel Kreauchee, daß 101
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ihr Leib es ablehnte, weitere Eizellen zu produzieren. Judith hingegen... Sie kam einem Wunder gleich. Sie hatte ihn nicht nur auf unübertreffliche Weise geliebt - ihre Vereinigung trug auch Früchte. Wenn er den Zeitpunkt für gekommen hielt, um
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