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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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»Laß mich zuerst eine Lösung für das Problem namens Dunkles Loch finden.«
    »So heißt Sartoris Helfer?«
    »Ja.«
    »Ich möchte ihn sehen. Keine Sorge, er wird sich hüten, mir irgend etwas anzutun. Immerhin trage ich etwas von seinem Herrn und Gebieter hier drin.« Bei diesen Worten legte sich Judith die Hand auf den Bauch. »Ich gerate sicher nicht in Gefahr.«
    Gentle erhob keine weiteren Einwände, trat beiseite und überließ es Montag, die Tür aufzubrechen; der Junge knackte das Schloß mit dem routinierten Geschick eines erfahrenen Diebes. Judith betrat das Haus und atmete im Flur kalte, abgestandene Luft ein.
    »Warte«, sagte Gentle und folgte ihr.
    »Wie sieht das Wesen aus?«
    »Wie ein Affe. Oder wie ein Baby. Ich bin mir nicht ganz sicher. Nur eines weiß ich: Das Geschöpf redet gern.«
    »Dunkles Loch...?«
    »Ja.«
    »Ein perfekter Name für einen solchen Ort.«
    Judith erreichte das untere Ende der Treppe und sah nach oben in Richtung Meditationszimmer.
    »Sei vorsichtig...«, sagte Gentle.
    »Du wiederholst dich.«
    »Vielleicht hast du keine klare Vorstellung davon, wie mächtig...«
    »Ich bin dort oben... ›geboren‹, nicht wahr?« fragte Jude, und plötzlich klang ihre Stimme eisig. Als Gentle schwieg, drehte sie sich zu ihm um. »Habe ich recht?«
    »Ja.«
    Sie nickte und starrte erneut über die Treppe.
    »Du hast gesagt, daß hier die Vergangenheit auf uns wartet.«
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    »Ja.«
    »Auch meine?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht.«
    »Ich fühle nichts. Hier ist es wie auf einem Friedhof. Einige vage Erinnerungen rühren sich in mir, aber das ist auch schon alles.«
    »Hab' etwas Geduld.«
    Judith musterte Gentle einige Sekunden lang. »Du bist wirklich davon überzeugt, daß sich hier die Lücken in unserem Gedächtnis schließen, nicht wahr?«
    »Wir müssen eins sein«, antwortete der Maestro.
    »Wie meinst du das?«
    »Die Rekonziliation betrifft nicht nur die Domänen, sondern auch uns selbst. Bevor wir die verschiedenen Welten zusammenführen können, müssen wir zu unserer eigenen Einheit gefunden haben. Wir müssen Frieden schließen mit dem, was wir waren und sind.«
    »Und wenn ich gar keinen Wert auf meine Vergangenheit lege?« fragte Judith. »Angenommen, ich möchte hier und jetzt einen Schlußstrich ziehen, um ganz von vorn zu beginnen?«
    Gentle schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Wir müssen eins sein, um nach Hause zurückzukehren.«
    »Wenn das dein Zuhause ist...« Jude nickte in Richtung Meditationszimmer. »Dann kannst du's für dich behalten.«
    »Ich meine nicht die Wiege.«
    »Was dann?«
    »Das, was vor der Wiege kommt. Ich meine den Himmel.«
    »Zum Teufel damit. Erst muß ich die Rätsel des Irdischen lö-
    sen.«
    »Das ist nicht nötig.«
    »Überlaß das meinem Urteil. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, wirklich ein eigenes Leben zu führen, und du willst mich nun in den Großen Plan integrieren. Aber daran liegt mir nichts. Ich möchte selbst planen.«
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    »Das kannst du auch. Während du Teil bist von...«
    »Nein. Ich will ich selbst sein. Ich will tun und lassen können, was mir beliebt.«
    »Das sind nicht deine eigenen Worte. Sie stammen von Sartori.«
    »Und wenn schon...«
    »Du weißt, welche Schuld er auf sich geladen hat«, sagte Gentle. »Du weißt, wie gemein und grausam er gewesen ist.
    Nimmst du dir nun ein Beispiel an ihm?«
    »Sollte ich mir statt dessen ein Beispiel an dir nehmen? Seit wann bist du so verdammt perfekt?« Er gab keine Antwort, und Judith interpretierte sein Schweigen als zusätzlichen Beweis für Hochnäsigkeit. »Oh, du läßt dich nicht mehr auf das Niveau so banaler Streitereien herab, wie?«
    »Wir diskutieren später darüber«, erwiderte Gentle.
    »Ach, wir diskutieren darüber?« spottete Jude. »Was hast du vor, Maestro? Willst du mich über Ethik belehren? Was macht dich eigentlich so einzigartig?«
    »Ich bin Celestines Sohn«, sagte er leise.
    Sie blinzelte verwirrt. »Du bist was?«
    »Celestines Sohn. Sie wurde aus der Fünften Domäne entführt...«
    »Ich weiß. Dowd steckte dahinter. Ich dachte, er hätte mir die ganze Geschichte erzählt.«
    »Von dieser Sache weißt du nichts?«
    »Nein.«
    »Vielleicht hätte ich taktvoller darauf hinweisen sollen...«
    »Schon gut.« Judith zögerte kurz. »Gibt es einen besseren Ort, um derartiges Wissen zu teilen?«
    Ihr Blick kehrte zur Treppe zurück. Es dauerte eine Weile, bis sich Judes Lippen erneut bewegten, und diesmal flüsterte sie

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