Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
überlegen, um eine Erklärung zu finden. Celestine hat eine einfache Frage gestellt, dachte sie. Jetzt bin ich dran.
    »War es wirklich Vergewaltigung?«
    Diese Worte brachten Jude einen giftigen Blick ein, doch es ertönte eine fast beiläufig klingende Stimme:
    »Ich fürchte, ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Nun, laß es mich anders ausdrücken.« Kurzes Zögern. »Hat dich Sartoris Vater gegen deinen Willen genommen?«
    Celestines Züge verrieten Verstehen, und in den Augen blitzte Empörung.
    »Natürlich hat Er das. Wie kannst du so etwas fragen?«
    »Aber du wußtest doch, was dir bevorstand, oder? Zu Anfang hat dich Dowd mit Drogen und dergleichen zum Gehorsam gezwungen, aber während der Reise durch die Domänen bist du nicht dauernd im Koma gewesen. Dir mußte klar sein, daß dich schließlich etwas Außergewöhnliches erwartete.«
    »Ich erinnere mich nicht...«
    »Und ob du dich erinnerst - und zwar an jede einzelne Minute. Ich bezweifle, daß Dowd wochenlang geschwiegen hat. Er war im Auftrag Gottes unterwegs, und das erfüllte ihn mit Stolz. Habe ich recht?« Celestine schwieg, doch das Feuer in ihren Augen schien heißer zu brennen. Judith fuhr fort: »Er hat dir das Ziel beschrieben, nicht wahr? Er wies darauf hin, daß er dich zur Heiligen Stadt brachte: Dort solltest du nicht nur dem Unerblickten begegnen, sondern von Ihm geliebt werden. Und du hast dich geschmeichelt gefühlt.«
    »Es war ganz anders.«
    121
    2

    »Wie denn? Hat Er dich von Seinen Engeln festhalten lassen, bis Er mit dir fertig war? Nein, das glaube ich nicht. Du hast dich Ihm bereitwillig hingegeben, Ihm jeden Wunsch erfüllt -
    weil du dadurch zur Braut Gottes wurdest, zur Mutter von Christus...«
    »Hör auf!«
    »Oder irre ich mich? Sag mir, daß du geschrien und versucht hast, Ihm die Augen auszukratzen.«
    Celestine starrte sie auch weiterhin an, brachte jedoch keinen Ton über die Lippen.
    »Deshalb verachtest du mich so«, sagte Jude. »Deshalb hast du mir vorgeworfen, nach Koitus zu riechen. Weil ich mit einem Stück des gleichen Gottes zusammen gewesen bin - und daran möchtest du nicht erinnert werden.«
    Plötzlich schrie Celestine.
    » Urteile nicht über mich, Weib!«
    »Dann hör damit auf, über mich zu urteilen! Weib. In meinem Fall hat der Geschlechtsverkehr aus freiem Willen stattgefunden, und jetzt trage ich die Konsequenzen. Bei dir verhält es sich genauso. Ich schäme mich nicht. Im Gegensatz zu dir. Deshalb sind wir keine Schwestern.«
    Judith hatte ihre Ansicht deutlich genug dargelegt und war nicht an einer weiteren Runde des Anklagens und Leugnens interessiert. Sie wandte sich um und erreichte die Tür, als Celestines Stimme erklang. Es ging ihr nicht darum, irgend etwas abzustreiten. Statt dessen sprach sie sanft, schien sich zu erinnern.
    »Es war eine Stadt voller Greuel - aber woher sollte ich das wissen? Ich hielt es für eine große Ehre, auserwählt zu sein, um Gottes...«
    »...Braut zu werden?« beendete Jude den Satz und drehte sich um.
    »Das ist ein angenehm klingendes Wort«, sagte Celestine.
    »Um Seine Braut zu werden, ja.« Sie atmete tief durch. »Ich 1213

    bekam meinen Gemahl nicht einmal zu Gesicht.«
    »Was hast du gesehen?«
    »Niemanden. Die Stadt war voller Leben. Ich wußte, daß sie voller Leben war, denn ich bemerkte Schatten an den Fenstern, und Türen wurden geschlossen, wenn ich vorbeiging. Aber niemand zeigte sich mir.«
    »Hattest du Angst?«
    »Nein. Es war alles viel zu schön. Licht erstrahlte von jedem Stein, und die Häuser ragten so weit empor, daß man kaum den Himmel sehen konnte. Ich hatte so etwas noch nie zuvor erblickt. Ich wanderte und wanderte und dachte dabei immer wieder: Bald schickt Er einen Engel, um mich zu holen und zu Seinem Palast zu bringen. Aber es kamen keine Engel. Es gab nur die Stadt. Sie schien sich endlos zu erstrecken, und nach einer Weile wurde ich müde. Ich setzte mich, wollte nur einige Minuten lang ausruhen. Doch ich schlief ein.«
    »Du bist eingeschlafen?«
    »Ja. Das stelle man sich vor! In Gottes Stadt befand ich mich
    - und schlief ein. In meinem Traum kehrte ich nach Tyburn zurück, wo Dowd mich gefunden hatte. Dort beobachtete ich, wie jemand gehängt wurde, und ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, bis ich unter dem Galgen stand.« Celestine hob den Kopf. »Ich sah zu ihm auf, während er am Ende des Stricks zappelte. Die Hose war offen und gab den Blick frei auf sein steifes Ding.« Ihr Gesicht brachte profunden Abscheu

Weitere Kostenlose Bücher