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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Kokon gefangen zu sein und erlöst zu werden.« Chester beendete die Lektion, lehnte sich zurück und griff nach seinem Glas. »In Wodka veritas«, verkündete er.
    »In Wodka Blödsinn«, erwiderte Judith.
    »Typisch für Sie«, lallte Klein. »Wenn Sie eine Niederlage hinnehmen müssen, fangen Sie mit Beleidigungen an.«
    Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Doch Chester hatte noch einen Pfeil im Köcher der Rhetorik.
    »Treiben Sie Bastard Boy auf diese Weise in den Wahnsinn?« fragte er.
    Judith warf ihm einen wütenden Blick zu.
    »Lassen Sie ihn aus dem Spiel!«
    »Möchten Sie wissen, was es bedeutet, eingekapselt zu sein?« zischte Chester. »Er ist ein gutes Beispiel dafür.
    Schnappt allmählich über.«
    »Und wenn schon«, sagte Judith. »Wenn er unbedingt einen 200

    Nervenzusammenbruch haben will, so soll er ihn ruhig bekommen.«
    »Wie menschenfreundlich von Ihnen.«
    Jude stand auf und wußte, daß sie Gefahr lief, endgültig die Beherrschung zu verlieren.
    »Ich kenne die eigentliche Ursache für Bastard Boys Problem«, sagte Klein. »Er ist anämisch und hat nur genug Blut entweder fürs Gehirn oder für seinen Pimmel. Wenn er eine Erektion hat, kann er sich nicht einmal an den eigenen Namen erinnern.«
    »Ach, tatsächlich?« Judith starrte in ihr Glas und beobachtete die schwimmenden Eiswürfel.
    »Ist das auch Ihre Rechtfertigung?« fragte Klein. »Haben Sie da unten etwas, von dem wir nichts wissen?«
    »Wenn das der Fall wäre, so würde ich Ihnen wohl kaum davon erzählen.«
    Im Anschluß an diese Worte leerte Judith ihr Glas in das offene Hemd Chesters.
    Nachher bereute sie das natürlich, und auf dem Heimweg überlegte sie, ob es ohne eine Entschuldigung möglich wäre, mit Klein Frieden zu schließen. Doch sie hatte keinen Einfall, und daraufhin beschloß sie, die Sache ruhen zu lassen. Sie hatte sich schon des öfteren mit Klein gestritten, auch mit seinem nüchternen Selbst. Nach einem oder höchstens zwei Monaten war stets alles vergessen gewesen.
    Zu Hause erwarteten sie weitere Mitteilungen von Estabrook. Er schluchzte jetzt nicht mehr: Seine Stimme kam einem monotonen Klagen gleich, in dem echte Verzweiflung Ausdruck fand. Der erste Anruf konfrontierte Judith mit bereits vertrautem Flehen. Charlie sprach davon, daß er den Verstand verlöre und sie unbedingt brauchte. Ob sie nicht bereit sei, ihn wenigstens anzuhören, ihm Gelegenheit zu geben, alles zu erklären? Der zweite Anruf ergab weniger Sinn. Er redete davon, daß sie nicht einmal ahne, wie viele Geheimnisse er 201

    hüte; angeblich bildeten diese Mysterien eine Last, unter der er zu ersticken drohte. Ob sie nicht zu ihm kommen wolle, wenn auch nur deshalb, um ihre Sachen zu holen?
    Judith bedauerte tatsächlich diesen Teil ihrer Abgangsszene.
    In ihrem Zorn hatte sie viele persönliche Dinge bei Estabrook zurückgelassen, sowohl Schmuck als auch Kleidung. Sie stellte sich vor, wie er über ihnen Tränen vergoß, vielleicht sogar ihre Schlüpfer trug. Zwar ärgerte es sie, jene Dinge vergessen zu haben, aber gleichzeitig lehnte sie es ab, sich in diesem Zusammenhang auf Verhandlungen einzulassen. Früher oder später mochte sie genug Ruhe finden, um zurückzukehren und die Schränke zu leeren, aber noch war es nicht soweit.
    Sie bekam keine weiteren Anrufe von Estabrook. Das Jahr neigte sich dem Ende entgegen, und im Januar mußte Judith damit beginnen, sich selbst ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
    Nach Charlies Heiratsantrag hatte sie ihren Job bei Vandenburgh aufgegeben und sich mit Estabrooks Geld vergnügt. Dabei ging sie von einer Annahme aus, deren Naivität sie erst jetzt erkannte: Wenn ihre Beziehung in die Brüche gehen sollte, so konnte sie bestimmt darauf zählen, daß sich Estabrook ihr gegenüber wie ein Ehrenmann verhalten würde. Jude hatte nicht mit dem profunden Unbehagen gerechnet, das sie schließlich forttrieb (das Gefühl, Charlies Besitz zu sein und sich nie mehr befreien zu können, wenn sie weiterhin bei ihm bliebe), und die Intensität seiner Rachsucht überraschte sie ebenfalls. Nun, vielleicht war sie irgendwann imstande, mit den gegenseitigen Beschuldigungen einer Scheidung fertig zu werden, aber noch fehlte ihr dazu die Kraft
    - obgleich sie hoffen durfte, einen Teil des Estabrook-Vermögens zu bekommen. Doch bis dahin mußte sie Geld verdienen, was bedeutete: Sie brauchte Arbeit.
    Am dreißigsten Dezember meldete sich Charlies Anwalt Lewis Leader. Judith war ihm nur einmal begegnet,

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