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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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als sie durch die verfallenden Räume von Roxboroughs ursprünglichem Haus gingen. Eine Treppe und ein Korridor brachten sie in eine Unterwelt, in der sich seit Jahren kein Gruppenmitglied mehr aufgehalten hatte.
    Sie erwies sich als recht primitiv. Zwar gab es auch hier elektrisches Licht - nackte Glühbirnen, von denen lange Kabel 220

    ausgingen, die wie schlafende Schlangen durch die Gänge führten -, doch abgesehen davon hatte sich dieser Ort seit den ersten Tagen der Tabula Rasa kaum verändert. Der Keller war nur gebaut worden, um die Bibliothek der Gruppe aufzunehmen, und aus diesem Grund hatte man auf Wohnliches jeder Art verzichtet. Identische Korridore gingen von der Treppe aus, und in ihnen erstreckten sich die Regale auf beiden Seiten bis zur gewölbten Decke empor. Kleinere, ebenfalls schmucklose Durchlässe stellten Verbindungen her.
    »Sollen wir die Flasche öffnen, bevor wir beginnen?« fragte Bloxham.
    »Warum nicht? Woraus trinken wir?«
    Giles holte zwei dünne Gläser aus einer Tasche, und Charlotte hielt sie, während er die Flasche öffnete: Der Korken seufzte nur, ein Geräusch, das sich irgendwo in den Tunneln verlor.
    Bloxham schenkte ein, und sie tranken auf die Säuberungsaktion.
    »Jetzt sind wir hier«, stellte Charlotte überflüssigerweise fest und zog sich den Pelzmantel enger um die Schultern. »Wonach suchen wir?«
    »Nach einem Hinweis darauf, daß sich hier jemand zu schaffen gemacht hat«, lautete die Antwort. »Nehmen wir uns verschiedene Korridore vor, oder bleiben wir zusammen?«
    »Wir bleiben zusammen«, sagte Charlotte.
    Roxborough hatte behauptet, daß diese Regale alle wichtigen Schriften über Magie und dergleichen enthielten. Und als sie an Zehntausenden von Büchern und Manuskripten vorbeiwander-ten, fiel es leicht, dies nicht für Prahlerei, sondern für die Wahrheit zu halten.
    »Meine Güte, wie haben unsere Vorfahren eine so gewaltige Sammlung zusammengetragen?« fragte Charlotte.
    »Ich schätze, damals war die Welt kleiner«, erwiderte Bloxham. »Die Angeber und Aufschneider kannten sich 221

    gegenseitig: Casanova, Sartori, der Comte de Saint-German und so weiter.«
    »Glauben Sie wirklich, daß es nur Angeber und Aufschneider waren?«
    »Die meisten von ihnen«, bestätigte Bloxham und genoß die
    - unverdiente - Rolle des Experten. »Nur ein oder zwei von ihnen wußten, worum es ging.«
    »Sind Sie jemals in Versuchung geraten?« fragte Charlotte und hakte sich bei Giles ein.
    »In Versuchung wozu?«
    »Haben Sie nie den Wunsch verspürt herauszufinden, was hinter allem steckt? Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, ein Wesen zu beschwören oder die Domänen zu besuchen?«
    Bloxham starrte seine Begleiterin überrascht an.
    »Das widerspräche allen Prinzipien unserer Gruppe«, entgegnete er.
    »Danach habe ich nicht gefragt«, sagte Charlotte scharf.
    »Um es noch einmal zu wiederholen: Sind Sie jemals in Versuchung geraten?«
    »Mein Vater warnte mich: Jeder Versuch, irgendeinen Kontakt mit Imagica herzustellen, könnte meine Seele dem Verderben preisgeben.«
    »Mein Vater richtete ähnliche Worte an mich. Aber als es mit ihm zu Ende ging... Ich glaube, da bedauerte er es, nicht mehr zu wissen. Ich meine: Wenn es nur Hirngespinste sind, besteht wohl kaum Gefahr.«
    »Oh, ich bin davon überzeugt, daß es sich nicht um Hirngespinste handelt«, sagte Bloxham.
    »Glauben Sie wirklich an die Existenz der Domänen?«
    »Erinnern Sie sich nicht an jenes Geschöpf, das Godolphin in dem Versammlungsraum tötete?«
    »Ich habe ein Wesen gesehen, von dessen Spezies ich bis dahin nichts wußte.« Charlotte blieb stehen und zog ein Buch aus dem nächsten Regal. »Manchmal frage ich mich, ob wir 222

    eine leere Festung hüten.« Sie öffnete das Buch; ein Lesezeichen rutschte heraus und fiel zu Boden. »Vielleicht ist alles erfunden. Vielleicht ist nichts davon wahr.« Sie schob den Band ins Regal zurück und drehte sich zu Bloxham um.
    »Haben Sie mich wirklich hierher eingeladen, um festzustellen, ob sich ein Unbefugter in der Bibliothek umgesehen hat?«
    murmelte sie. »In dem Fall wäre ich sehr enttäuscht.«
    »Nicht nur«, sagte Giles.
    »Gut.« Charlotte nickte zufrieden und ging weiter.
    2
    Judith hatte Einladungen zu mehreren Silvesterpartys bekommen, aber sie war keine Verpflichtungen eingegangen, was sie nach dem Kummer dieses Tages mit Erleichterung erfüllte. Sie bot an, bei Clem zu bleiben, aber er lehnte höflich ab und meinte, daß er eine Zeitlang

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