Imagon
und der Inuit neben mir.
»Oh, Scheiße!«, entfuhr es Hagen beim Anblick des rauchenden Containers, und er rannte unverzüglich wieder zurück in die Station.
»Bringen Sie zwei mit!«, schrie DeFries und musste sofort wieder husten.
Ich riss an seinem Ärmel und deutete zwischen den Stationsblöcken hindurch auf eine halb nackte Gestalt, die wie sturzbetrunken in Richtung Krater torkelte.
»Chapmann …« DeFries hielt sich die Brust und atmete schwer und rasselnd. »Dieses … Ding ist einfach durch die Wände gebrochen und hat dabei den Generator erwischt.«
Hinter der Ostseite des Infrablocks tauchten Mylius und einer von DeFries’ einheimischen Mitarbeitern mit einem Feuerlöscher und einer Schneeschaufel auf. Hektisch begann Mylius, durch das qualmende Loch Schnee auf den Generator zu schippen, während der Inuit mit der Entriegelung des Feuerlöschers kämpfte. Das Auftauchen der beiden hatte mich für Sekunden abgelenkt. Als ich mich an DeFries wenden wollte, sah ich ihn gemeinsam mit Maqi hinter dem Hauptblock verschwinden. Der Arbeiter, der mit uns die Station verlassen hatte, eilte seinen Kollegen zur Hilfe, sodass ich schließlich allein vor dem Haupteingang stand.
Chapmann kam nicht besonders zügig voran, daher beschloss ich, ihm zu folgen und zudem aus den stinkenden Rauchschwaden rauszukommen. Der Tumult hatte mittlerweile auch die restlichen Arbeiter aus dem Schlaf gerissen. Nachdem sie sich durch die Dunkelheit der inneren Korridore gekämpft hatten, erschienen sie nun einer nach dem anderen vor dem Hauptblock.
Die Schlittenhunde verhielten sich immer noch wie toll. Umgeben von durcheinander schreienden Inuit, heulten und kläfften sie und rissen an ihren angepflockten Leinen. Doch sie zerrten nicht – vom vermeintlichen Blutrausch getrieben – zum Lager hin, um sich auf Chapmann zu stürzen, sondern von ihm fort; in wilder, geradezu panischer Angst vor dem herantorkelnden Amerikaner. Je näher Chapmann den Halbwölfen kam, desto irrer wurde deren Gebaren. Beim Anblick der Hunde und dem Klang ihres von den Leinen halb erstickten Jaulens lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich fühlte nicht, was die Hunde fühlten, besaß nicht ihren Geruchssinn, um zu wissen, was sie witterten, nicht ihre Augen, um zu erkennen, was sie sahen. Aber sie wirkten auf mich, als wäre es nicht Chapmann, der sich ihnen näherte, sondern das intensivste Grauen, das diese Tiere zu empfinden vermochten. Die Hunde führten sich auf, als ob sie sich vom Widerstand der angepflockten Leinen lieber in Stücke reißen lassen und in Einzelteilen in ein offenes Feuer kriechen würden, anstatt Chapmann auch nur einen Meter näher an sich herankommen zu lassen.
Plötzlich tauchte Rijnhard neben mir aus dem Rauch auf, ein schweres Jagdgewehr in den Händen. Er lief noch ein paar Schritte hinter Chapmann her, legte die Waffe auf ihn an und schoss ohne zu zögern. Die Ladung traf Chapmann in die rechte Schulter und warf ihn vornüber in den Schnee. Für einen Wimpernschlag ließ der Knall die Schlittenhunde verstummen, dann drehten sie endgültig durch. Die überforderten Inuit hatten nicht die geringste Chance, die Meute zu bändigen. Ich sah zwei der Hunde davonkriechen. Einer besaß nur noch drei Beine, der andere … Ich konnte nicht lange genug hinsehen, um Details zu erkennen. Sein gesamter Leib musste von irgendetwas aufgeschlitzt worden sein. Seine Gedärme in einer Blutspur hinter sich herziehend, schleppte er sich über den rot gefärbten Boden aus meinem Sichtfeld.
Ich war nach Rijnhards Schuss wie versteinert stehen geblieben. Chapmann hingegen blieb keine zwei Sekunden liegen, sondern rappelte sich ungelenk wieder auf, ohne seine Hände zu Hilfe zu nehmen. Ehe Rijnhard das Gewehr durchgeladen hatte und erneut auf ihn anlegen konnte, war der Amerikaner wieder auf den Beinen und schwankte weiter auf den Krater zu. Dabei gaben seine Knie hin und wieder nach, als besäßen sie Kardangelenke, die sich in alle Richtungen bogen.
»Was, zur Hölle, tun Sie denn?«, schrie ich Rijnhard an, als ich endlich meine Stimme wieder gefunden hatte. Als ob du es nicht mit eigenen Augen siehst, hämmerte es im selben Moment hinter meiner Stirn. Aber das Schauspiel war zu makaber, als dass ich es wirklich von einer Sekunde zur anderen hätte begreifen können.
Ein zweiter Schuss aus Rijnhards Gewehr zerriss die Luft. Das Geschoss traf Chapmann in den Hinterkopf. Der Amerikaner wirbelte um seine eigene Achse und blieb, einen
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