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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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bevor jemand einzugreifen vermochte und der Pilot die Fluglage des Chinook stabilisiert hatte, waren die beiden in der Tiefe verschwunden.
    Ich starrte hinaus ins Freie und begriff das, was ich in diesem Moment sah, erst, als es längst zu spät war. Hinter dem Heck des Helikopters zuckte für Sekunden ein riesiger Fangarm vorbei. Ehe ich die Stimme zu einem Warnschrei fand, wurde der Chinook urplötzlich aus seiner Flugbahn gerissen. Alle Fensterscheiben platzten, als sich der Tentakel um die Maschine schlang, dann überkam mich ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Für Sekunden herrschte um uns herum gespenstische Stille, während meine Innereien sich am falschen Platz zu befinden schienen. Ich fand mich mit DeFries am Dach des Isolationszeltes klebend wieder, und ein heftiger Schwindel ließ mir schwarz vor Augen werden. Das war’s, Akademiker, kapitulierte die innere Stimme. Einen Atemzug später erschütterte ein ungeheurer Schlag den Laderaum, als der Helikopter auf dem Eis aufschlug.
    Während DeFries und ich wie Crashtest-Dummies im Zelt herumgeschleudert wurden, verwandelte sich die Stille innerhalb eines Sekundenbruchteils zum Inferno. Ich hörte das Bersten des Helikopterrumpfes, das Kreischen sich verformenden Metalls, Schreie und eine Explosion. Kurz darauf leckten Flammen durch den Bauch des Chinook. Einer der seitlichen Treibstofftanks musste Feuer gefangen haben. Trümmer und Splitter zerschnitten die Wände des Isolationszeltes, das uns bisher das Leben gerettet hatte, und prasselten auf DeFries und mich nieder. Als ich bereits nicht mehr daran glaubte, kam der über den Kraterboden schlitternde Helikopter doch noch zum Stillstand.
    Nun war es das Feuer, das die Herrschaft über das Chinook-Wrack ergriff. Trotz der Schmerzen, die meinen Körper folterten, stemmte ich die Trümmer auf DeFries und mir zur Seite. DeFries war bei Bewusstsein, stand jedoch unter Schock. Sein Gesicht war blutüberströmt, was von kleinen Schnitten und einer Platzwunde an seiner Stirn herrührte. Ob ich selbst verletzt war, konnte ich nicht sagen. Zumindest entdeckte ich an mir kein Blut.
    Ich packte DeFries, der schmerzerfüllt aufstöhnte. Ehe er wusste, wie ihm geschah, hatte ich ihn mir über eine Schulter geworfen. Der Chinook lag auf der Seite, und der Weg zur Heckluke wurde vom Feuer versperrt, doch dort, wo sich einmal der vordere Rotormast befunden hatte, klaffte ein metergroßes Loch im Dach. Ehe ich mich mit DeFries nach draußen retten konnte, nahm ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung im Feuer wahr. Ich sah genauer hin – und erkannte Broberg, dessen Anorak lichterloh in Flammen stand. Wahrscheinlich hatte er beim Absturz das Bewusstsein verloren, bis ihn die Schmerzen des Feuers aus der Ohnmacht gerissen hatten. Er versuchte verzweifelt, den Flammen zu entkommen, doch über seinen Beinen lag eine schwere Metallstrebe.
    Ich ließ DeFries zu Boden sinken, holte tief Luft und kämpfte mich durch die Trümmer zu Broberg vor. Ohne lange nachzudenken, hievte ich das Trümmerstück von seinem Unterkörper, ergriff ihn an den Beinen und zog ihn aus dem Feuer. Flüchtig erstickte ich die Flammen, die seinen linken Arm und seinen Oberkörper schlimm zugerichtet hatten. Dann packte ich Broberg am rechten Arm und schleifte ihn einfach hinter mir her. DeFries war mittlerweile von allein ins Freie gestolpert, wo er nun zwanzig Schritte vom Wrack entfernt hustend und nach Luft ringend auf dem Eis saß.
    Ich trug Broberg nach draußen und legte ihn vorsichtig neben DeFries zu Boden. Broberg gab keinen Laut von sich, schien sich überhaupt nicht bewusst zu sein, was geschehen war und wo er sich befand. Der Adrenalinschock machte seinen Körper taub, und das Entsetzen lähmte seinen Verstand. Zudem musste seine Luftröhre von der glühenden Hitze halb geröstet und seine Lunge vom giftigen Rauch verätzt worden sein. Ich erstickte die letzten schwelenden Stellen auf seiner Kleidung mit bloßen Händen. Broberg machte keine Anstalten, sich zu wehren, obwohl ein Großteil seiner darunter liegenden Haut verbrannt sein musste. Seine Haare waren zu einem rußigen Gekröse verschmort, die Finger seiner rechten Hand schwarz und starr und von der Hitze zu Krallen verkrümmt. Seine rechte Gesichtshälfte sah ebenfalls entsetzlich aus. Das rechte Augenlid war fort, der verkochte Augapfel schimmerte trüb. Der Gestank von verbranntem Horn reizte meine Atemwege.
    In diesem Moment zerriss eine heftige Explosion den Helikopter, als der

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