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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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jener Stelle kam, an der die gefrorene Eisdecke sich zu der von Soerensen erwähnten Halle weitete. Als die Bombe schließlich in den unterirdischen Hohlraum hineintauchte, erfüllte unirdisches Glühen die Monitore und erlaubte einen Blick auf das, was Soerensen in den letzten Sekunden seines Lebens gesehen haben musste.
    »O mein Gott …«, flüsterte Krogh. Er beugte sich so nahe an seinen Monitor heran, bis seine Stirn fast den Bildschirm berührte. »Diese Masse … bewegt sich!« Er schluckte überwältigt.
    »Das müssen Tausende von Tonnen von Mikroben sein, die sich hier konzentrieren!«
    Was die Kamera am Grund des Kraters erfasst hatte, ließ sich nur schwer in Worte kleiden. Meine Fantasie und Brobergs Schilderungen hatten mir das Bild eines Shoggothen in vielen bizarren Formen und Gestalten vorgegaukelt. Nun jedoch, als ich diese Kreatur zum ersten Mal mit eigenen Augen sah, war ich beinahe enttäuscht über ihre urzeitliche Primitivität. Was wir erblickten, glich einer unermesslichen Ansammlung auf- und abwogenden Plasmas in einer riesenhaften Lavalampe. Es war ein Un-Wesen. Ein gigantisches, formloses Protozoon.
    »Es leuchtet tatsächlich«, staunte Krogh. »Was zum Teufel ist das?«
    Mertens sagte: »Sieht aus, als tummelten sich da unten Millionen von Quallen.«
    »Pelagia noctiluca«, murmelte Broberg. »Leuchtquallen. Ihr fluoreszierendes Protein ist ein intrinsischer Fluorophor …«
    Kroghs Blick klebte auf dem Bildschirm. »Erinnert mich mehr an eine riesige Amöbe«, stellte er fest. »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«
    Broberg schüttelte ratlos den Kopf. »Nur unter dem Mikroskop«, gestand er und regelte die Helligkeit und Kontrastschärfe seines Monitors. »Was immer es ist, es kommt auf jeden Fall aus dem Meer. Ab achthundert Metern Tiefe besitzen rund zwei Drittel aller wirbellosen Tiere wie Quallen, Krebse oder auch Tintenfische Organe mit der Fähigkeit zur Biolumineszenz. Ihr Leuchten beruht auf der Oxidation bestimmter Leuchtstoffe, sogenannter Luziferine. Es kann jedoch auch durch symbiotische Leuchtbakterien hervorgerufen werden, die an bestimmten Stellen der Haut lokalisiert sind.«
    »Aber wie erklären Sie sich die Größe dieses Dings?«
    »Noch wissen wir nicht, ob es ein gigantischer Mikrobenwirt oder eine Agglomeration unzähliger Einzellebewesen ist. Die Art und Weise, wie es sich bewegt, deutet auf letzteres hin. Sollte es sich jedoch um ein unbekanntes, hyperflexibles Meereslebewesen handeln, das an und für sich in Tausenden von Metern Wassertiefe beheimatet ist, könnte der niedrige Außendruck dafür verantwortlich sein, dass sein Körper sich hier auf dem Festland um ein Vielfaches aufgebläht hat.«
    Ich tauschte einen viel sagenden Blick mit DeFries. Im selben Moment stoppte die Kamerafahrt plötzlich, und Richards meldete sich über Funk.
    »Was ist los?«, wollte Mertens wissen.
    »Das Seil hat die Belastungsgrenze erreicht.«
    Mertens schwieg einen Augenblick. »Wie tief können wir maximal noch gehen?«
    »Der Strang ist inzwischen mit über sieben Tonnen belastet«, erklärte Richards. »Falls er reißt, reißen auch die Kabel. Eine Zündung ist dann nicht mehr möglich.«
    »Danke.« Mertens sah lange auf das leuchtende Wogen. Dann befahl er: »Abkoppeln!«
    Ein Ruck durchlief das Kamerabild, worauf die leuchtende Masse auf den Monitoren rasend schnell näher kam.
    »Zündung …« – Mertens hob eine Hand – »Jetzt!« Er ließ seine Handkante niederfahren.
    Sämtliche Kamerabilder erloschen, die Bildschirme wurden schwarz. Krogh atmete tief durch, lehnte sich auf seinem Sessel zurück und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Broberg starrte weiter gebannt auf seinen Monitor, als erwarte er jeden Moment eine Anzeige mit Trefferquote, Schadensstatisik und verbleibender Shoggothen-Lebensenergie. Mertens wirkte, als müsse er sich zurückhalten, sich nicht selbst lobend auf die Schulter zu klopfen. »Richards«, rief er in sein Funkgerät, »lassen Sie umgehend alle Bereiche evakuieren, die in Windrichtung liegen. Die Männer sollen ihre Masken aufziehen und die Luftwerte über der Deckplatte überwachen. Ich wünsche die Atmosphäredaten im Zehn-Minuten-Takt.« Mit einem kämpferisch-siegesgewissen Grinsen auf den Lippen sah er zu DeFries und mir herüber. »Das war’s, meine Herren«, verkündete er selbstzufrieden. »In ein paar Stunden ist die Sache bereinigt.«
     
    Die Sache regte sich als sanftes Beben.
    Aus der Öffnung der Abdeckplatte,

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