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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Konstellation der Gestirne war verzerrt, aber dennoch charakteristisch. Auf der Unterseite prangte das Sternbild des Schwans – und der Stern im Zentrum war Sadr!
     
    Die Halle, in der ich gefangen war, maß gut dreißig Meter in der Länge und fünfzehn Meter in der Breite. Sieben Tunnel zählte ich, die in sie hinein oder aus ihr hinaus führten. Jeweils zwei von ihnen waren durch einen der drei Kanäle, die den Raum durchkreuzten, miteinander verbunden. Die Dimensionen des siebten Tunnels hingegen hätten dem Rumpf eines Jumbojets Platz geboten. Er war der einzige Gang, der nicht von den Gräben berührt wurde. Sein gewaltiges Portal wurde zusätzlich von einer Vielzahl kreisrunder reliefartiger Symbole eingerahmt.
    Mit einem äußerst unguten Gefühl erinnerte ich mich an die Zeilen aus dem Taaloq. Das Szenario erschien mir wie eine spöttische Ironie, ein perverser Zufall, wenn es denn wirklich war, was es schien.
    Richte deine Augen zum Meer unter dem Meer und tritt ein, auf dass Qur sich an deiner Gegenwart erfreue …
    Die Schmerzen in meinem Brustkorb unterdrückend, näherte ich mich dem Portal. Zwei der Säuregräben schnitten meinen Weg, und ich musste höllisch aufpassen, beim Überqueren nicht den Halt zu verlieren und hinein zu rutschen. Trotz aller Bemühungen konnte ich nicht vermeiden, mit einem Fuß fast knöcheltief im ätzenden Schleim zu versinken, als ich über den zweiten Graben stieg. Entfernt erinnerte mich die Substanz an die Schleimspur einer Schnecke – aber wie viele Schnecken brauchte es, um solch eine gewaltige Spur zu erzeugen? Millionen? Oder doch nur eine einzige; ein abnormes, blindes Monstrum, dessen Leib den gesamten Tunnel ausfüllte …?
    Fieberhaft überlegte ich, ob ich das Risiko in Kauf nehmen sollte, mich in einem der Quertunnel zu verstecken. Falls der Shoggothe es schaffen sollte, in die Kaverne zu gelangen …
    Womöglich wird er dich in einem der Stollen gar nicht bemerken, flüsterte mir die innere Stimme ein. Vielleicht wird er einfach an dir vorbeikriechen, hinab in seine lichtlose Heimat …
    Häschen in der Grube, höhnte die andere Stimme, suchst du etwa immer noch nach einem Schlupfloch aus deinem Schicksal?
    Ich schritt den zuletzt überquerten Kanal bis zu einer seiner Einmündungen ab und leuchtete in den Stollen. So weit der Strahl meiner Lampe in die Dunkelheit reichte, schimmerte das Sekret am Grabengrund. Warum aber war die Substanz nicht längst getrocknet – nach all den Jahrtausenden?
    Ich zwang mich, nicht weiter darüber nachzudenken. Mit angehaltenem Atem lauschte ich nach Geräuschen aus der Kaverne. Bereits das Knacken und Knirschen winziger Gesteinsbrocken, die unter meinen Fußsohlen zerpulverten oder mit leisem, trockenem Knall platzten, ließ mich zusammenschrecken. Als ich schließlich vor dem symbolumrahmten Portal stand, konnte ich in einen endlosen, gähnend schwarzen Tunnel hinabblicken, der mit geringem Gefälle abwärts führte. Sein Boden war glatt, als habe ihn ein beständiger Wasserfluss ausgewaschen. Meine Überraschung war groß, als ich die mächtigen Reliefplatten erkannte, die etwa zwanzig Schritte vom Eingang entfernt die Wände des Tunnels zu zieren begannen. Auf den ersten Blick erinnerten sie an übergroße Metopen-Reliefs, wie sie unter den Traufrinnen dorischer Tempel zu finden sind.
    Vorsichtig lief ich in den Tunnel hinein und beleuchtete die Wände, doch meine Spannung wich rasch der Ernüchterung. Es war mir so gut wie unmöglich, die verschlungenen Motive und Symbole auf den Reliefs zu deuten. Bei längerem Hinsehen begannen die Linien und Muster zu verschwimmen, wurden zu sinnverwirrenden Formengebilden, die vor meinen Augen zu flimmern begannen, sobald mein Blick zu lange auf ihnen verweilte.
    Erzählten diese Reliefs den Taaloq? War dies womöglich die wahre Geschichte jener Legende, die jahrtausendelang mündlich weitergegeben worden war? Beklommen leuchtete ich nach links und nach rechts und schälte immer mehr Steinbilder aus der Dunkelheit. Ab und an glaubte ich die Körper von Lebewesen in den Bildnissen zu erkennen, doch gleichzeitig befahl mir mein Verstand, sie nicht als solche anzusehen. Was die Reliefs darstellten und welche Geschichten sie erzählten, kann ich nicht beschreiben. Womöglich war es eine Chronik, denn entfernt erinnerten sie an Darstellungen eines Krieges; einer Fehde polyphemer Geschöpfe, deren Ausmaß den Planeten erschüttert haben musste.
    Es mochten höchstens fünfzig Meter

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