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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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hinabrutschten, der die gesamte Öffnung umfasste. So war es mir möglich, einen Rundblick zu erhaschen, der mir ein ungefähres Ausmaß der Halle offenbarte. Nun konnte ich sogar einen vierten und fünften Gang erkennen. Die tiefen Rinnen führten aus den Tunnels heraus und strebten zu den gegenüberliegenden Wänden, wo sie in weiteren Tunnels verschwanden. Das Ganze sah aus wie ein Verkehrsknotenpunkt.
    »Ich verstehe es nicht«, gestand ich kopfschüttelnd und betrachtete die auf dem Hallenboden verstreuten Ropanpäckchen. »Aus welchem Grund wollen Sie dieses Tor zerstören, wenn es nicht das Tor nach Qur ist?«
    DeFries fixierte mich mit funkelnden Augen. »Ich will es nicht zerstören.«
    »Was?« Ich erhob mich verdutzt. »Wieso?«
    »Weil es nicht das wahre Tor ist, du Schwachkopf!«, zischte er. »Weil das Tor, das unsere Welt von Qur trennt, kein irdisches Tor ist. Das siebte Tor befindet sich auf der anderen Seite!«
    »Aber … warum haben Sie mir nie ein Wort davon erzählt?«
    »Dir?! Damit du mit diesem Wissen sofort zu deinem Shoggothen-Balg rennst? Ausgerechnet dir, der du die Lage des unterirdischen Eingangs kennst, der du von Sedmeluq gezeichnet, von seinen Larven hofiert und von den Aqunaki geleitet wurdest? Dir, einem Imagonen?!«
    Ich deutete in die Tiefe. »Und Sie wollen dort hinunter? In Ihrem Zustand und mit einem Rucksack voll Sprengstoff? Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, was Sie auf der anderen Seite erwartet?«
    »Einer muss ja die Drecksarbeit erledigen.«
    »Herrgott, Jon! Begreifen Sie denn nicht, dass ich auf Ihrer Seite stehe?«
    »Nein, das tust du nicht!« Blutige Speichelfäden glänzten an DeFries’ Unterlippe. »Du bist nur eine Marionette! Du glaubst, du seiest frei im Geiste, doch unbewusst handelst du nur nach seinem Willen. Shuddle-Mel ist nicht dumm, aber mich könnt ihr nicht täuschen. Er lenkt dich. Und er beschützt dich. Wieso stündest du sonst hier, nach allem, was geschehen ist? Ohne einen einzigen Kratzer? Wieso, Poul? Wieso?«
    In diesem Augenblick erschütterte ein neuer heftiger Erdstoß die Kaverne. Ich taumelte gegen die Trichterwand, verlor den Boden unter den Füßen und prallte mit der Hüfte auf den Sims. Für einen Lidschlag schien ich im freien Raum zu schweben, dann stürzte ich mit Armen und Beinen voraus in die Tiefe.
    Während meiner Armeezeit hatte ich etliche Sprünge aus ähnlicher Höhe absolviert – mit drei wesentlichen Unterschieden: Ich war darauf vorbereitet gewesen, war freiwillig gesprungen, und unter mir hatten sich statt wahllos verstreuten Ropan-Sprengladungen dicke Matten befunden, um meinen Sturz zu dämpfen.
    Beim Aufschlag auf den Hallenboden hatte ich das Gefühl, mir die Hälfte meiner Knochen gebrochen zu haben. Die Mag-Lite war in einen der Kanäle gefallen und erloschen, Brobergs Waffe beim Aufprall aus meiner Hand gerutscht und in der Finsternis verschwunden. Der Schmerz in meinem Brustkorb war furchtbar. Ich drehte mich auf den Rücken und bemühte mich, den Schmerz unter Kontrolle zu halten. DeFries tauchte am Rand der Öffnung auf und leuchtete in mein Gesicht. Das Licht seiner Taschenlampe kam mir vor wie eine prämortale Vision göttlicher Heimführung.
    »Nein …«, stieß DeFries erneut aus. »Nein, nein, nein …«
    Ich hob eine Hand und hielt sie schützend vor mein Gesicht.
    »Nehmen Sie die Lampe weg«, stöhnte ich. »Ich kann mich nicht orientieren, wenn Sie mich blenden.«
    DeFries bückte sich und hielt den Lichtkegel weiterhin auf mein Gesicht gerichtet, wobei er begann, an seinem Anorak herumzunesteln.
    »Du darfst nicht dort unten sein«, klagte er. »Nicht du!«
    »Dann holen Sie verdammt noch mal ein Seil!«
    DeFries rührte sich nicht vom Fleck. Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete mehrere Male tief ein und aus. Es fühlte sich an, als seien diesmal tatsächlich ein paar Rippen gebrochen, und falls ich Pech hatte wohl auch das linke Schlüsselbein. Ich erhob mich auf alle Viere und kroch ein Stück über den Boden, wobei ich mit den Händen nach Brobergs Waffe tastete.
    »Leuchten Sie in den Kanal«, wies ich DeFries an.
    Über mir erklang ein metallisches Klicken, das ich nicht einordnen konnte.
    »In welchen?«, fragte DeFries. Seine Stimme klang seltsam gefasst, beinahe schon vernünftig.
    »Hier, direkt vor mir.«
    DeFries’ Lichtkegel wanderte durch die Rinne und erfasste meine Taschenlampe. Ihr Schutzglas war zersprungen, die Glühbirne geplatzt. Das Gehäuse lag in

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