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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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dieser Tiefe liegt der eigentliche Festlandboden. Was auch immer diesen Krater geschlagen hat, es ist für uns nahezu unerreichbar. Weckt das nicht Ihr berufliches Interesse? Ich hatte in meinem Schreiben angedeutet, dass es Neuland zu entdecken gibt.« Er wies hinaus auf den Eissee. »Es gehört Ihnen. Nutzen Sie die terra incognita, ehe in ein paar Wochen die Nachrichtensperre aufgehoben wird und die internationalen Teams eintreffen. Dann wird es hier von Wissenschaftlern, Doktoranden und Diplomanden nur so wimmeln.« Er blinzelte in die Sonne. »In ein paar Stunden wird sich die Luft bis auf wenige Grad unter Null erwärmt haben, dann ist es hier unten recht angenehm. Ich schlage vor, jeder von uns widmet sich nun seiner Arbeit. Enttäuschen Sie das Institut nicht, Poul. Broberg wäre diskreditiert, wenn er eingestehen müsste, den falschen Mann zu diesem Job herangezogen zu haben.« Er zwinkerte mir zu, dann schritt er von dannen. Nachdenklich sah ich ihm hinterher. Als DeFries das Bauwerk erreichte, wandte er sich noch einmal um. »Wo finde ich Sie, falls etwas, äh … sein sollte?«, rief er.
    Ich warf einen Blick über die brettebene Eisfläche. »Es dürfte Ihnen nicht schwer fallen, mich aufzuspüren«, rief ich zurück. »Sollten Sie mich dennoch nicht sehen, verstecke ich mich entweder dort im Container oder bin hinter dem Nunataker.« Ich wies auf die schroffe Erhebung in der Kratermitte.
    »Mount Umos«, rief DeFries. »Denken Sie daran, mich anzufunken, sobald Sie sich auf den Rückweg machen.« Er hob die Hand, dann verschwand er im Tunnel zur Eishalle. Sekunden später trat Maqi heraus, zündete sich eine Zigarette an und musterte mich unverhohlen. Ich glaubte nicht, dass er rein zufällig eine Verschnaufpause einlegte. Er war ein Aufpasser.
    Ich rückte die Schneebrille zurecht und sah hinüber zu der Bergspitze im Krater. Längst hatte ich den Entschluss gefasst, mein Hauptaugenmerk auf den Nunataker zu richten. Falls sich wirklich Spuren eines vermeintlichen Himmelsgeschosses finden ließen, dann am wahrscheinlichsten auf seiner Oberfläche. Die Restmaterie dürfte nach dem Aufprall auf den Grund gesunken sein, ehe der Kratersee wieder gefror. Der Mount Umos erschien mir als vielversprechendste Ausgangsposition für einen Sucherfolg. Danach würde ich auf jeden Fall diesem mysteriösen Schluckloch einen Besuch abstatten.
     
    Ich schätzte die Strecke bis zur Bergspitze auf nahezu vier Kilometer. Die Hälfte des Weges hatte ich bereits zurückgelegt und fühlte mich wie ein Lappe, der seinen voll beladenen Pulka zu Markte zog. Mein Herzrasen war mit jedem Schritt abgeklungen, der mich von dem prähistorischen Bauwerk fortgetragen hatte. Womöglich ließ durch die körperliche Anstrengung nur die Wirkung des Koffeins nach, und der Marsch über das Eis sorgte für Körperwärme.
    In den Kunststoffboxen auf dem Schlitten befand sich Elektronik im Wert einer Luxuslimousine; ein Fotoelektronen-, ein Atomabsorbtions- und ein Protonen-Röntgenspektrometer, ferner zwei Laptops zur rechnergestützten Bildrekonstruktion, ein Elektronen-Mikrostrahlanalysator und ein Fluoreszenskondensator. Die Spektrometer gedachte ich an verschiedenen Standorten auf dem Eis und dem Nunataker zu platzieren und während der Tage, die sie für die Registrierung aller reflektierten Teilchen benötigten, ein paar weniger aufwändige Messungen durchzuführen, Gesteins- und Eisproben zu sammeln und den gegenüberliegenden Kraterwall zu inspizieren. Das AAS würde ich auf dem Kraterboden aufstellen, um im erstarrten Schmelzwasser Spurenelemente zu ermitteln, während die beiden anderen Spektrometer ihre Arbeit am Gestein verrichteten. Trotz aller Technik glaubte ich jedoch, dass die wichtigsten Instrumente meine Augen, meine Kamera und mein Instinkt bleiben würden. Falls es sich bei dem ›Impaktkörper‹ wirklich um das gehandelt hatte, was ich vermutete, würde sich nirgendwo eine Form von Restsubstanz nachweisen lassen. Wäre hier tatsächlich ein Objekt aus fester Materie runtergekommen, so hätte das archaische Bauwerk an der Flanke des Mount Breva dessen Einschlag niemals unversehrt überstanden – unabhängig davon, wie viel Eis das Gebäude umschlossen hatte. Die Schockwelle eines Meteoriten oder Kometen und die freigesetzte Energie hätten seine Mauern beim Aufschlag zu erbsengroßem Schrot zertrümmert – und die Südflanke des Mount Breva ebenso.
    Ich hatte mir die Leine des Schlittens um die Hüfte gebunden. Die

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