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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Maqi vermutete ich überall, so stumm wie er war. Was mich beim Näherkommen aufhorchen und meinen Schritt verlangsamen ließ, war Hansens Erwähnung einer »gewaltigen Eishöhle«. Ich vermied es, meinen Kopf zur Tür reinzustrecken und mich nach dem Grönländer zu erkundigen, sondern ging einer Eingebung folgend nach links in den Duschcontainer. Die Stimmen verstummten kurz, als meine Schritte im Korridor laut wurden, und setzten erst wieder ein, nachdem ich die Kabine betreten und den Hahn des Waschbeckens aufgedreht hatte. Niemand machte sich die Mühe, nachzusehen, wer ich war, und so tat ich alles, um mich natürlich zu verhalten. Ich zog meinen Anorak aus und produzierte gewöhnliche Badezimmergeräusche, während meine Sinne aus einem unerfindlichen Grund hypersensibilisiert waren.
    Trotz angestrengten Lauschens war es mir durch das Rauschen des Wassers nicht mehr möglich, zusammenhängende Sätze zu verstehen, geschweige denn zweifelsfrei herauszuhören, wer von beiden jeweils sprach. Ich vermutete aber, dass es hauptsächlich Hansen war, während Rijnhard hin und wieder das Gehörte kommentierte oder hinterfragte.
    Die folgenden Gesprächsfetzen konnte ich klar und deutlich verstehen: »… wahrscheinlich das Tauwetter … vorgestern … Befürchtungen, dass sie noch weiter … bereits über vier Kilometer landeinwärts … unter der Station … nicht sicher, in welcher Tiefe … die Behörden? Höchstens … nur eine außerordentlich große Gletscherhöhle … viele davon unter dem Eisschild … hoffentlich! … zu instabil für eine Erkundung … während der Sommermonate ist der Fjord ein begehrtes Ziel für … hoffentlich nicht zu einem … eine Ausweitung des Sperrgebiets in den Sund würde bedeuten … Zeitfaktor … werde Sie auf dem Laufenden halten … mit dem Rückflug in Verzug … zirka 22 Uhr …«
    Dann vernahm ich Geräusche, die klangen, als würden Hansen und Rijnhard den Raum verlassen, und streckte geistesgegenwärtig meinen Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Am liebsten hätte ich laut aufgeschrien vor eisigem Schmerz. Statt dessen biss ich die Zähne zusammen und zog den Kopf erst nach einer halben Minute wieder zurück. Hansen stand lässig an den Türrahmen gelehnt und betrachtete mich mit einem undefinierbaren Blick. Ich stellte das Wasser ab und tastete nach einem Handtuch.
    »Scheißtag, was?«, bemerkte der Pilot.
    Ich zuckte die Schultern und rubbelte meinen Kopf trocken. »Wissen Sie zufällig, wo ich Mylius finde?«, fragte ich aufs Geradewohl.
    »Wahrscheinlich drüben im Infra-Block«, vernahm ich Rijnhards Stimme aus dem Hintergrund. »Bei den Generatoren.« Er warf einen Blick über Hansens Schulter. Als er mich erkannte, schob er sich an dem Piloten vorbei in die Kabine. »Ist Ihnen schlecht?«
    »Geht schon.« Ich blinzelte gekonnt kränklich. »Brauchte nur mal kurz einen kühlen Kopf.«
    Rijnhards besorgter Medizinerblick wurde zu einem durchdringenden, verkniffenen Starren. »Nehmen Sie das bitte nicht auf die leichte Schulter«, bat er. »Wenn Sie sich weiterhin unwohl fühlen, kommen sie zu mir.«
     
    Mylius hörte mich nicht eintreten, da das Knattern der startenden Libelle alle Geräusche übertönte. Als er mich schließlich bemerkte, erschrak er gehörig; eine Reaktion, die ich nach seiner gestrigen Gelassenheit am Frühstückstisch am wenigsten erwartet hätte. Als Entschuldigung erklärte er radebrechend, er habe Chapmann gesehen und dessen schrecklichen Anblick noch nicht verarbeitet, zumal der Amerikaner nur wenige Container von hier entfernt liege. Mylius’ Stimme war ein einschläferndes, leicht quäkendes Nuscheln. Sein Dänisch holperte gewaltig, die englische Sprache beherrschte er überhaupt nicht.
    »Er von Ihnen spricht«, erzählte er, nachdem ich ihn auf Talalinqua angesprochen hatte. »Allerdings nicht gut.« Ein müdes Kopfschütteln. »Nein, nicht gut.«
    Wen wundert’s, dachte ich. »Ich muss mit ihm sprechen«, ließ ich die Katze aus dem Sack. »Würden Sie mit rüberkommen und mir übersetzen?« Und die Schlittenhunde von mir ablenken, ergänzte ich in Gedanken. In meiner Anoraktasche trug ich eine Leuchtspurpistole; nur für den Fall der Fälle …
    »Nicht einfach werden«, überlegte Mylius. »Sie ihn beleidigt. Hätten nicht berühren dürfen während ullusiur. Er überhaupt nicht berührt werden darf von … wie sagt man? Hand, die schmutzig ist?« Vermutlich meinte er ›unrein‹, dachte ich. Mylius rieb gedankenlos die eigenen

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