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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Truhe mit großen, eingeschweißten Pappkartons gefüllt. Lediglich einer von ihnen war geöffnet worden, und obwohl ich bereits beim ersten Hinsehen erkannt hatte, was er enthielt, klappte ich ihn staunend auf.
    In dem Karton lagerten armdicke, etwa vierzig Zentimeter lange Würste aus flexiblem, rotem Kunststoff. Letzterer umhüllte eine teigige, bräunliche Masse, die auf den ersten Blick zähem Kerzenwachs ähnelte. In Wirklichkeit war es jedoch eine Art Gel. Auf jedem der Kartons prangte in großen blauen Lettern der Firmenname DYNO NOBEL DANMARK A/S, darunter – neben einem roten, rautenförmigen Warnsymbol – die Artikelbezeichnung ROPAN 33/2. Was in der Truhe lagerte, war hochexplosiver Ammonsalpetersprengstoff, und zwar genug davon, um den halben Mount Breva zu pulverisieren. Das Zeug konnte kaum ein Überbleibsel aus der ersten Periode der Grabung und der geoseismischen Sondierung sein, sonst würde es nicht weiterhin – und schon gar nicht in dieser Tiefe – aufbewahrt werden. Also eine reine Vorsichtsmaßnahme von DeFries? Oder Bestandteil seines nebulösen Plans?
    Wenngleich ich wusste, dass Ropan gegen Erschütterung unempfindlich ist, schloss ich den Deckel der Truhe sehr vorsichtig.
    Am westlichen Ende der Halle gähnte ein schmaler, mannshoher Tunnel, der in einem Winkel von vielleicht zwanzig Grad schräg abwärts führte. Der Stollen wirkte, als sei er erst vor kurzem zielstrebig ins Eis geschmolzen worden. Frisch verflanschte Verlängerungsschläuche und ausgerollte, seitlich gestapelte Schlauchstücke bestärkten meinen Verdacht. Aus dem grell erhellten Raum am Ende des Tunnels drang ein Geräusch wie das Schlagen einer Spitzhacke.
    Mich mit der rechten Hand am freigewaschenen Gestein abstützend, stieß ich hinter dem Durchgang zu meiner Überraschung auf Talalinqua. Der Schamane verzog bei meinem Eintreten keine Miene, sondern beobachtete, nachdem er mir einen finsteren Blick zugeworfen hatte, weiterhin das Geschehen an der gegenüberliegenden Gebäudewand, wo Hagen, DeFries, Maqi und zwei Inuit, deren Namen ich nicht kannte, bei der Arbeit waren. Bis auf den Schamanen trugen sie allesamt wasserdichte Overalls und Gummistiefel. Die Luft war schwülwarm, und die Feuchtigkeit in der Kammer konnte mit der eines tropischen Gewächshauses konkurrieren. Was ich für eine Spitzhacke gehalten hatte, entpuppte sich als Hammer, mit dem Maqi einen breiten Meißel unter das Eis trieb. DeFries stand mit Hagen in einer vor der Gebäudewand ausgewaschenen Senke und war bemüht, die letzten Liter angesammelten Schmelzwassers abzusaugen.
    Als DeFries mich hereinkommen sah, reichte er das Saugrohr an Hagen, kletterte aus der Grube und deutete auf eine Öffnung, die – noch von einer etwa handbreiten Eisschicht verschlossen – in der Wand klaffte. »Sie hatten recht«, frohlockte er. Nichts zeugte mehr von dem Groll, den er unlängst gegen mich gehegt hatte. »Das Fenster liegt fast exakt an der Stelle, an der Sie es eingezeichnet hatten.«
    Ich war nicht wirklich in der Stimmung, seine Begeisterung zu teilen, und beließ es daher bei einem Nicken. Meine Kleidung war mittlerweile sowohl vom Dampf als auch vom Schweiß durchnässt. Ich starrte gebannt auf die schätzungsweise einen Meter hohe und etwa vierzig Zentimeter breite Öffnung, hinter der absolute Dunkelheit herrschte. Maqi und Hagen stemmten nun von zwei Seiten gleichzeitig breite Meißel unter das Eis, wohl um die Platte, die die Öffnung verschloss, möglichst unbeschädigt zu lösen.
    »Um so wenig Turbulenzen wie möglich zu verursachen«, begründete DeFries die Aktion, nachdem ich mich erkundigt hatte, weshalb sie die Eisplatte nicht einfach schmolzen oder zertrümmerten. »Selbst wenn der Boden im Inneren aussieht wie blankgeleckt, besteht ein nicht zu vernachlässigendes Restrisiko. Falls kiloweise Eis in den dahinterliegenden Raum stürzt, könnte das fatale Folgen haben. Die Platte muss so behutsam wie möglich vom Gestein gelöst werden. Falls sie dennoch auseinander bricht oder abrutscht, sollte die Einbauchung tief genug sein, um die Splitter aufzufangen.«
    DeFries hatte kaum zu Ende gesprochen, als ein trockener Knall zu hören war. Ein Bruch hatte sich knapp unterhalb der Öffnung gebildet, worauf der gesamte Eisblock schräg nach vorne abrutschte. Maqi und Hagen schafften es gerade noch, sich zur Seite zu beugen, während die beiden Inuit alles taten, um die Platte festzuhalten und ihr gleichzeitig auszuweichen. Der Block stürzte

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