Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
Enkelkinder – überhaupt nichts.«
»Seit wann willst du Kinder?«
Gute Frage.
»Will ich ja gar nicht.«
Fühlte sich aber nur zu siebzig bis achtzig Prozent richtig an, diese Aussage. Vor drei Tagen wären es noch satte hundert Prozent gewesen. Da hatte meine Karriere auf Punkt eins meiner Wunschliste gestanden.
Dummerweise schossen mir die Tränen in die Augen. Jan zog mich hoch, schlang seine Arme um meinen Rücken und sagte: »Warte doch erst mal ab, Kröte. Man hat schon Pferde kotzen sehen.«
Ich musste unter Tränen grinsen. Das war ein Lieblingsspruch von Opa Hermann gewesen.
»Im Notfall werden wir beide eben die glücklichsten Singles der Lüneburger Heide«, sagte Jan. »Oder von Hamburg, München und Dubai.«
»Du siehst aber auch nicht besonders glücklich aus«, erklärte ich seiner Schulter.
Jan stieß mich ein Stück von sich ab. »Wir müssen fest daran glauben, dann klappt das auch. Und du gehst jetzt duschen, du riechst nicht besonders gut.«
Gute Idee.
Eine Dusche konnte ich gebrauchen. Hauptsache, Grete bekam es nicht mit.
Mir fiel auf, dass Jan bereits ausgehfein war und sich seinem derzeitigen Stylingvorbild wieder angenähert hatte. Zu einer engen schwarzen Hose trug er ein silbergraues Hemd, aus dessen Ausschnitt ein Halstuch ragte. Die Haare schimmerten in der Abendsonne, die Augen blickten dunkel und temperamentvoll.
»Du siehst toll aus.«
»Danke. Ich wollte mal ein paar Perlen vor die Säue werfen. Jetzt ab mit dir.«
War gar nicht so verkehrt, sich mal von seinem kleinen Bruder herumkommandieren zu lassen. Wenigstens einer, der sich um mich kümmerte.
»Ich beeile mich. Gibt es was zu essen?«
»Vorbereitet ist nichts. Grete und Marie haben das Bauernfrühstück zum Abendbrot verputzt. Wir können ja bei Otto einen Strammen Max essen.«
Strammer Max!
Göttlich!
Roggenbrot mit dick Butter und geräuchertem Speck. Darauf ein Spiegelei. Wie hatte ich nur so lange ohne einfache Hausmannskost auskommen können? Hatte ich wirklich geglaubt, ich könnte mich auf Dauer von Sushi, Bami-Goreng oder Carpaccio ernähren? Vielleicht lebte ich ja seit Jahren ein Leben, das gar nicht zu mir passte. Zumindest in kulinarischer Hinsicht. Oder auch in allumfassender …
Stopp, Nele!
Nicht den Verstand verlieren!
»Ich werde mindestens drei essen«, verkündete ich und verschwand im Haus.
Eine halbe Stunde später zog ich mich zum dritten Mal um. Bluse von D & G plus schräger Wickelrock von Vivienne Westwood.
Zu aufgedonnert.
Shorts von H & M plus Polohemd von Lacoste.
Zu langweilig.
Jeans? Trägerloses Top?
»Hilfe!«
Jan stand schon vor mir. »Nun mach doch nicht so einen Aufwand.« Er griff stilsicher in meinen Schrank. »Hier. Die abgeschnittenen Jeans, dazu das Streifenshirt. Und den Glitzergürtel hier.«
»Der ist uralt«, protestierte ich schwach.
»Aber wieder im Kommen.« Er zwinkerte mir zu. »Außerdem erkennt Karl ihn vielleicht wieder und liebt dich dann wie damals.«
»Ich will überhaupt nicht, dass Karl mich wie damals liebt. Er ist …«
»… Vergangenheit, ich hab’s kapiert. Soll ich dir die Haare machen?«
»Lohnt sich nicht.«
»Nele!« Auf Jans Gesicht zeichnete sich pures Entsetzen ab. Für ihn gab es keine Situation im Leben, der man ungestylt entgegentreten durfte.
»Na gut.«
Eine weitere halbe Stunde später waren wir endlich fertig. Jan hatte natürlich auch noch auf ein dezentes Make-up, Lidschatten, Mascara und Lipgloss bestanden. Jeglicher Protest zwecklos.
Wir schlichen die Treppe hinunter und verließen das Haus durch die Hintertür. Papa, Grete und Marie konnten uns gestohlen bleiben. Keiner von uns hatte Lust, in irgendwelche Probleme um Marmorgrabsteine oder verschwundene Ehefrauen verwickelt zu werden.
Heute nicht mehr.
Heute hatten wir mal frei.
»Oh Mann!«, rief Jan aus und blieb so plötzlich stehen, dass ich gegen ihn prallte.
»Hier sieht’s ja genauso aus wie immer.«
Er betrat die Kneipe, und ich folgte ihm. Recht hatte er. An Ottos Inneneinrichtung waren die Jahre spurlos vorübergegangen. Die Tische und Stühle aus dunkel gebeiztem Eichenholz waren genauso zerkratzt und wackelig wie eh und je, auf dunkelgrünen Plastiktischdecken standen kleine Vasen mit verstaubten Trockenblumen, daneben steckte Besteck in ausrangierten Biergläsern. Die Gardinen hatten ihren Gelbstich auch in die Ära des Rauchverbots hinübergerettet, an den holzvertäfelten Wänden hingen grau gewordene Hirschgeweihe. Über der Biertheke
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