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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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Sonst hätte ich einsehen müssen, dass aus Paul Liebling und mir nie etwas werden konnte.
    Niemals!
    Sonst hätte ich mich fragen müssen, ob ich darüber unglücklich war. Und dazu war ich derzeit nicht in der Verfassung.
    Von draußen klangen Stimmen über den Hof. Die laute, giftige Stimme Gretes und die sanfte, traurige Stimme Maries.
    Ich war richtig froh über dieses Stück normalen Lüttjens-Stresses.
    Gleich darauf kamen die beiden alten Schwestern in die Küche, sahen uns auf der Eckbank sitzen und verstummten, für einen Moment verlegen.
    »Hallo Oma, hallo Tantchen«, sagte Jan und schaute bewusst keine von beiden an.
    Ich fühlte Maries Blick auf mir. Ach ja, der Grabstein. Ich beneidete sie fast darum, dass ein Stück Carrara-Marmor im Augenblick ihr größtes Problem war.
    Hätte gern mit ihr getauscht.
    Aber zu meiner Überraschung sagte Marie: »Kind, du bist blass wie die Wand. Warum legst du dich nicht ein bisschen in den Liegestuhl im Garten? Unsere schöne Heidesonne wird dir guttun.«
    Dankbar lächelte ich ihr zu. »Das ist eine wunderbare Idee. Aber Jan und ich haben noch zu tun.«
    Mein Bruder schüttelte den Kopf. »Geh du nur, Nele. Ich kümmere mich um die Sache.«
    Er meinte natürlich Hertha Kowalski.
    »Welche Sache?«, hakte Grete sofort nach. Manchmal vergaßen wir, wie topfit im Kopf die beiden waren. »Was ist das hier für eine Geheimniskrämerei? Ich will wissen, was unter meinem Dach vorgeht.«
    Jan setzte sein charmantestes Lächeln auf. »Tut mir leid, aber ich kann wirklich nichts verraten. Es soll eine Überraschung sein.«
    »Überraschungen gibt es zu Geburtstagen, nicht zu Beerdigungen«, brummte Grete.
    Richtig.
    Ich musste schlucken. In gewissem Sinne wäre es wirklich eine Überraschung, wenn Opas Asche wieder auftauchen würde. Nur dass möglichst niemand etwas davon mitbekommen sollte. Eine Überraschung, die niemanden überraschte.
    Oh Gott!
    Ich musste dringend hier raus.
    Rasch stand ich auf. »Ich lege mich dann in den Liegestuhl«, sagte ich noch und verließ die Küche.
    »Den Abwasch hat sie immerhin erledigt«, hörte ich Grete noch sagen, »aber die Töpfe hier sind nicht wirklich sauber. Da muss ich wohl noch mal ran.« Es folgte ein tiefer Seufzer.
    »Ich helfe dir, liebste Grete«, erwiderte Jan.
    »Kannst ruhig Oma sagen, wie immer.«
    Jans Antwort bekam ich nicht mehr mit. Wahrscheinlich war ihm sowieso keine eingefallen.

16.
    Das Sterben der Spitznamen
    Heimatluft macht hungrig und müde. Oder wie sonst ließ es sich erklären, dass ich auf dem Liegestuhl sofort einschlief und nach dem Aufwachen einen gesunden Appetit verspürte?
    Mein Unterbewusstsein war auf Draht, fand ich. Viel Nahrung, viel Schlaf, denn aller Wahrscheinlichkeit nach würde ich meine Kräfte in den nächsten Tagen noch brauchen.
    Nur die Träume waren nicht wirklich gut gewählt. Erst war ich mit Paul im Baggersee geschwommen – nackt, versteht sich –, dann hatte ich neben Karl auf einem Bett aus Kiefernnadeln gelegen – auch nackt, logo. Störend war nur eine besonders pieksende Nadel, und so wachte ich davon auf, dass Jan mit einem spitzen Stöckchen in meinem Bauch herumbohrte.
    »Geht’s noch?«, protestierte ich und richtete mich auf. »Ich hatte gerade den Traum aller Träume. Sogar zwei von der Sorte.«
    »Dachte ich mir. Du hast so laut gestöhnt, dass Grete und Marie schon den Arzt rufen wollten.«
    Upps!
    Ich richtete mich auf und sah mich um. Hinter den mächtigen Eichen ging die Sonne unter, die Luft war samtig und roch nach würzigem Heidekraut. In unserem Garten standen einige Kübel mit den genügsamen Pflanzen, damit die Feriengäste gleich das richtige Heidefeeling bekamen.
    »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach neun.«
    Ich erschrak. Wo war der Tag geblieben? Hatte ich heute irgendetwas anderes getan als schlafen, essen und reden? Das bisschen Abwasch zählte nicht, hätte Grete jetzt gesagt.
    Morgen war schon Donnerstag, und tags darauf sollte Opas Beerdigung stattfinden. Und nichts, gar nichts hatte ich bisher erreicht.
    Helle Panik ergriff mich.
    »Du hättest mich wecken müssen«, warf ich Jan vor. »Wenn ich den ganzen Tag schlafe, kann ich dir nicht helfen, Hertha zu finden.«
    Mein Bruder ließ sich neben mir ins Gras fallen. »Du warst gestern fix und fertig, Kröte. Ich hatte das Gefühl, du musst Kräfte sammeln.«
    Kannte mich ganz schön gut, mein Bruder.
    »Aber Hertha …«
    »Ich habe mich darum gekümmert, und ich bin ein Stück weitergekommen.

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