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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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gekleideter Leute – mal abgesehen von meinem Bruder, versteht sich – wirkte er wie ein Paradiesvogel in einem Taubenschwarm. Gelbes Fransenhemd und weiße Leinenhosen. Dazu schwarze Lackschuhe, wie ich mit einem schnellen Blick unter den Tisch feststellte. Die braunen Haare trug er kinnlang, mit blonden Strähnchen darin und einem Glanz, den es sonst nur in der Shampoowerbung im Fernsehen gab.
    Das Gespräch der beiden drehte sich auch gerade um ein besonderes Spray.
    »Didi?«, fragte ich dazwischen und rieb mir die Augen. »Bist du es wirklich?«
    Er grinste mich an und entblößte zwei Reihen perfekter weißer Zähne.
    Wow! Der Didi, den ich gekannt hatte, war mit krummen und eher bräunlichen Zähnen rumgelaufen. Und er war eher eine unterdurchschnittliche Erscheinung gewesen.
    »Hans-Dieter wäre mir lieber«, sagte er freundlich. »Didi klingt so kindlich, und ich bin schon seit einer Weile ein erwachsener Mann.«
    Ich nickte.
    Wohin waren bloß all die schönen Spitznamen von damals verschwunden?
    Am Ende war jetzt auch noch Pamela zu ihrem richtigen Vornamen zurückgekehrt. Wie traurig! Pamela natürlich nach Pamela Anderson. Wer so blond und gut ausgestattet war wie sie, konnte in den Neunzigern gar keinen anderen Spitznamen bekommen. Alle schauten wir Baywatch, Ehrensache, und alle Jungs schwärmten für Pamela, alle Mädchen für David Hasselhoff.
    Außer mir. Ich liebte vorübergehend John Allen Nelson. Keiner machte am sonnigen Strand von Malibu bessere Liegestützen und Sit-ups als er. Als er wegen einer Erkrankung an der Netzhaut aus der Serie aussteigen musste, war das für mich richtig schlimm.
    Ich trank mein Bier zur Hälfte aus. Meine linke Körperhälfte, die an Karl grenzte, war mollig warm geworden. Bildete ich mir das ein, oder drängte er sich gegen mich? Eben war noch viel mehr Platz zwischen uns gewesen.
    »Hi, Irmintraud«, sagte ich zu der Blondine, die mit Anfang dreißig ausgesprochen sexy aussah. Sogar mehr als früher. Die Haare waren kürzer, der Ausschnitt dafür tiefer. Die Augen blitzten feuriger als zu ihrer Teenagerzeit.
    »Irmintraud? Hast du sie noch alle? Willst du meinen Ruf ruinieren?«
    »Äh … entschuldige, Pamela. Ich dachte, hier hätte ein kollektives Spitznamensterben eingesetzt.«
    Sie lachte laut und rauchig, so wie früher.
    »Ich will aber nicht mehr Mutti heißen«, meldete sich neben ihr eine brünette Frau zu Wort, die mir vorher noch gar nicht aufgefallen war. Typisch, Anke war schon immer unscheinbar gewesen. Sie hatte sehr aus dem Hintergrund gewirkt. Als Ansprechpartnerin für Probleme jeglicher Art. Daher die Mutti.
    Wieso hatten eigentlich Karl und ich in der Clique keine Spitznamen gehabt? Mein Exfreund war nie zu einem Kalli degradiert worden, und ich war immer Nele geblieben. Umso besser – mir reichten der Spatz und die Kröte in meiner Familie.
    Bevor mein Bier leer war, stand ein neues vor mir, und gleich darauf kamen meine zwei Strammen Mäxchen. Ich griff zu dem Glas ohne Henkel in der Mitte des Tisches, schnappte mir Messer, Gabel und Papierservietten und haute rein.
    »Guten Hunger«, sagten die anderen wie aus einem Munde, und auf einmal waren sie alle wieder da, die Freunde meiner Kindheit und Jugendzeit. Mochten sie sich verändert haben, sie waren immer noch meine alte Clique. Plötzlich fragte ich mich, wie ich all die Jahre ohne sie klargekommen war. Sicher, ich kannte auch in München viele Menschen, und Sissi war eine wunderbare Freundin. Aber die hier, die waren meine Leute, meine Gefährten, mein Volk.
    »Da«, sagte Anke und schob mir einen Jägermeister über den Tisch. »Trink den, bevor du losheulst. Wir haben dich übrigens auch vermisst.«
    »Danke Mu … danke.«
    Von dem Moment an wurde es lustig an unserem Stammtisch. Da Jan seinen Strammen Max nicht wollte, aß ich auch den. So hatte ich eine gute Grundlage für die Bierchen und Jägermeister, die noch folgten. Hin und wieder kippte ich fast vom Stuhl, aber nur, weil Karl mir so dicht auf die Pelle rückte.
    »Können wir mal den Platz tauschen?«, bat ich ihn nach einer Weile.
    Er verstand nicht, warum, tat mir aber den Gefallen. So wurde mir wenigstens gleichmäßig heiß.
    Wer aus unserer Runde dann den Vorschlag machte, noch zum Baggersee zu fahren, wusste ich am nächsten Tag nicht mehr.
    War jedenfalls keine gute Idee.

17.
    Nachts im Baggersee
    Wolfram, former known as Bolle, war dank kritischer Leberwerte, wie mir Silke verriet, als Einziger noch fahrtüchtig

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