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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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weich wurden, schluckte ich Wasser.
    »Hör sofort auf!«, rief ich, als ich die Ladung ausgespuckt hatte.
    »Warum denn? Gefällt es dir nicht?« Er knabberte inzwischen an meinem linken Ohrläppchen und zog mich ins tiefere Wasser.
    Oh Gott! Karl wusste noch genau, was er tun musste, damit ich schwach wurde. Meine Ohrläppchen gehören definitiv zu meinen erogenen Zonen.
    »Karl!«
    Er ließ mich ganz plötzlich los, und ich ging unter.
    Prustend kam ich wieder hoch. »Spinnst du? Willst du mich umbringen?«
    »Nein«, sagte er zärtlich. »Ich will dich lieben.«
    Dann drehte er mich zu sich um und verschloss meinen Mund mit seinen Lippen.
    Ich achtete nicht auf das Gekicher von Pamela und Anke, ich verlor mich in diesem Kuss, und als seine Lippen zum rechten Ohrläppchen wanderten, war ich verloren.
    »Oh, Paul«, flüsterte ich.
    Schon war ich wieder unter Wasser.
    Als ich strampelnd wieder hochkam, starrte Karl mich wütend an.
    »Wer zum Teufel ist Paul?«
    Autsch. Da hatte ich jetzt was durcheinander gekriegt. Lag bestimmt an dem Traum vom Nachmittag.
    »Entschuldige. Du warst ja der auf dem Bett aus Kiefernnadeln.«
    Entweder war mir der Alkohol nicht bekommen oder das viele Seewasser.
    Karl sagte keinen Ton mehr. Er drehte sich um, schwamm ein Stück, stapfte dann aus dem Wasser und ging zum Feuer, wo er seine Sachen abgelegt hatte.
    »Mensch, Nele«, sagte Pamela neben mir. »Hätten wir das nicht diplomatischer hinkriegen können? Jetzt hat keine was von ihm.«
    Ich überlegte, ob ich ein schlechtes Gewissen hätte haben müssen, und entschied mich dagegen. Pamela und Anke lebten seit Jahren quasi Tür an Tür mit Karl. Wenn sie bis heute nichts mit ihm auf die Reihe gekriegt hatten, war das nicht mein Problem.
    Rasch kehrte auch ich ans Ufer zurück und verbrachte ein paar Minuten in aufsteigender Panik damit, im Dunkeln nach meinen Klamotten zu suchen. Das hatte ich nun davon, dass ich mich aus lauter Schamhaftigkeit weit weg vom Feuer ausgezogen hatte. Möglich, dass ich die Sachen nicht mehr wiederfinden würde.
    Was dann?
    Um Hilfe rufen? Keine gute Idee, falls nur Karl meinen Ruf hören sollte.
    Mich mit Palmenwedeln bedecken? Hätte im Urwald von Borneo klappen können.
    Seufzend vor Erleichterung stieß ich schließlich auf das Bündel und zog mich an.
    Die Rückfahrt verlief in gedrückter Stimmung, nur mein Bruder und Hans-Dieter ließen sich davon nicht stören. Sie unterhielten sich angeregt über die Vorteile verschiedener Cremes.
    »Bist du müde?«, fragte mich Jan, nachdem Wolfram uns zu Hause abgesetzt hatte.
    Müde? Ich war am Ende meiner Kräfte. Obwohl ich so viel geschlafen hatte. Ausgelaugt. Völlig am Ende.
    »Kein Stück.«
    Jan strahlte. »In fünf Minuten auf dem Heuboden. Ich hole uns noch was zu trinken.«
    »Lieber nicht. Ich habe schon genug intus, und morgen muss ich für Hamburg fit sein.«
    Andererseits fühlte ich mich nach dem Bad im See wieder stocknüchtern.
    Jan war schon im Haus verschwunden, und ich überquerte den Hof in Richtung Stall. Ernie und Bert wieherten mir leise entgegen. Ich kraulte beiden kurz die Mähne, bevor ich im schwachen Licht über die Holzleiter nach oben stieg. Mir fiel ein, dass Papa noch nicht dazu gekommen war, mir die Pläne für den Stallausbau zu zeigen. Kein Wunder, bei dem, was so los war.
    Süßlicher Heugeruch kitzelte mir in der Nase, und eine Duftwelle voller Erinnerungen rollte auf mich zu. Jan und ich als Kinder, die sich eine Höhle im Heu bauten und Lachkrämpfe bekamen, weil die immer wieder in sich zusammenstürzte.
    Jan und ich, mit zwölf und vierzehn Jahren, vollkommen ernst, vertieft in das wichtigste Gespräch unseres bisherigen Lebens. Ich konnte mich noch gut an meinen Schrecken erinnern, als Jan mir eröffnet hatte, dass er, wie er sich ausdrückte, nicht normal war. Er fände Mädchen immer noch doof und fühle sich zu Jungs hingezogen. Geahnt hatte ich es natürlich schon, aber es aus seinem Mund zu hören, war ein Schock.
    Trotzdem behielt ich die Fassung. »Du bist nicht unnormal, du bist einfach nur homosexuell«, erklärte ich mit meinem ganzen Bravo -Wissen. »Das ist heutzutage auch nicht mehr verboten.«
    Jahre später erklärte mir Jan einmal, wie sehr ich ihm damals geholfen hatte. Seine Schwester, der erste Mensch, dem er sich anvertraut hatte, verurteilte ihn nicht. Das gab ihm Mut, auf seinem Weg weiterzugehen.
    Eine andere Erinnerung drängte sich in meinen Kopf. Es half nichts, die Augen zu schließen.

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