Immer diese Gespenster
Unerfreulicheres, als wenn die Sicherheit unschuldiger junger Mädchen auf solch abscheuliche und niederträchtige Art bedroht wird?»
Hero notierte im Geist, daß es sich inzwischen nicht nur um ein, sondern bereits um zwei Mädchen handelte. Wer war das andere? «Gewiß», sagte Hero. Und nach kurzer Überlegung: «Die Untersuchungsmethoden der Erforschung übernatürlicher Erscheinungen haben sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren gewandelt. Es ist, als wären wir aus dem dunklen Mittelalter in die Neuzeit eingetreten. Es gibt endlose Verästelungen. Manchmal werden bei diesen Untersuchungen die Gefühle der Beteiligten verletzt. Meine Bedingungen, zu denen ich Ihre Zustimmung haben muß, sind folgende: Wenn Sie mich verpflichten, können Sie mich unter keinen Umständen entlassen, bevor der Fall geklärt ist, es sei denn, ich trete selber zurück. Andererseits brauchen Sie mir kein Honorar zu zahlen, wenn es mir nicht gelingen sollte, den Erscheinungen im Schloß ein Ende zu machen.»
Sir Richard sagte: «Ihre Bedingungen sind ungewöhnlich, doch ich verstehe Ihren Standpunkt. Ich akzeptiere sie auf eigene Verantwortung und werde Lord Paradine von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen suchen.»
Hero nickte. «Abgemacht. Heute habe ich noch etwas vor; morgen ist Sonntag — ich werde morgen abend vor dem Dinner mit dem Auto im Schloß ankommen. Inzwischen möchte ich Sie bitten, weiterhin genau zu beobachten, was vor sich geht. Oh, noch etwas — bevor Sie zurückkehren, sollten Sie unbedingt noch einen Eisenwarenhändler aufsuchen und einige starke, altmodische Riegel kaufen. Schrauben Sie einen davon innen an Miss Marshalls Zimmertür und auch an die Türen anderer Personen, die in Gefahr sein könnten. Vielleicht wäre es am besten, gleich in allen Zimmern Riegel anzubringen.»
«Riegel!» rief Sir Richard aus. «Welchen Schutz bietet ein Riegel vor einem Gespenst, oder einem Poltergeist oder was immer es ist, das im Schloß umgeht?»
«Es würde die Bedrohung immerhin nur auf übersinnliche Wesen beschränken», sagte Hero, «und damit die Möglichkeit weiterer unangenehmer Überraschungen mindestens auf die Hälfte reduzieren.»
Als Hero die Tür öffnete, um Sir Richard hinauszugeleiten, fiel Mrs. Harris beinahe ins Zimmer hinein, was sie aber keineswegs in Verlegenheit brachte. «Ach, geht Ihr Besuch schon?» sagte sie unverfroren. «Ich wollte eben fragen kommen, ob Sie eine Tasse Tee wünschen. Wenn nicht, mache ich mich wieder an die Arbeit.»
Als Hero von der Haustür zurückkam, wischte sie immer noch Staub von den längst sauberen Möbeln. «Das war aber eine lange Unterredung», sagte sie.
«Ja», erwiderte Hero geistesabwesend und fügte dann hinzu: «Seien Sie so lieb und packen Sie mir einen Koffer für eine Woche auf dem Lande. Sie machen das so wunderbar.» Und dann fragte er lächelnd: «Was halten Sie von der Geschichte?»
Mrs. Harris sagte: «Ich konnte hinter der Tür nicht alles genau verstehen, aber er schien für einen so vornehmen Herrn ungewöhnliche Angst zu haben, nicht wahr?» Dann fixierte sie ihn mit ihren runden Knopfaugen und sagte streng: «Und daß Sie sich nicht in Schwierigkeiten bringen, haben Sie verstanden? Mit all diesen Lichtern, die von selbst auslöschen, und Nonnen und Kaninchen und was weiß ich — wir möchten nicht, daß Sie zu Schaden kommen.»
Hero sagte ernst: «Ich verspreche, daß ich aufpassen werde. Nun gehen Sie meinen Koffer packen — und vergessen Sie nicht — eine schwarze Schleife und genügend Smokinghemden!»
Mrs. Harris hatte das letzte Wort. «Nicht genug, daß Sie sich mit Gespenstern herumschlagen wollen, da müssen Sie sich ihretwegen auch noch in Gala stürzen!»
Mr. Hero ging zum Bücherregal und holte sich den Adelskalender von Burke herunter.
Meg
In Burkes Adelskalender waren den Baronen Paradine von Paradine Hall ganze vier Spalten eingeräumt. Ihr Geschlecht und Name gingen bis auf das Jahr 1462 zurück. Hero fertigte eine Liste der noch lebenden Familienmitglieder an und notierte sich, daß Thomas Lord Paradine im Jahre 1956 mit achtzig Jahren und seine Frau neun Jahre früher gestorben waren. Sie hatten drei Kinder: John, der jetzige Lord Paradine, geboren 1902; Philip, geboren 1904, in jungen Jahren verstorben; Isobel, geboren 1916, unverheiratet.
Er hob erstaunt die Augenbrauen, als er las, daß John im Jahre 1928 eine gewisse Enid Caly ohne Rang und Namen geehelicht hatte. Sie besaßen zwei Kinder — einen Sohn
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