Immer diese Gespenster
denn Beth damit zu tun?»
«Hast du es nicht bemerkt? Wenn der kleine Julian hier ist, verbringt sie fast die ganze Zeit mit ihm. Sie scheinen sich sehr gut zu verstehen. Morgen kommt er übrigens her.»
Lord Paradine sagte: «Da er keine Mutter mehr hat, ist es gut, wenn Beth sich seiner annimmt.» Und damit schob er die Zahnbürste in den Mund.
Nachdem sie ihr Haar eine Weile schweigend gebürstet hatte, sagte Lady Paradine: «John, ist Isobel einmal in Richard verliebt gewesen?»
Paradine gurgelte und spuckte das Wasser aus. «Wie soll ich das wissen? Immer fragst du dasselbe. Was soll das überhaupt?»
«Als Familienoberhaupt müßtest du das eigentlich wissen.»
«Damals war ich es noch nicht», erwiderte Paradine leicht gereizt. «Und im übrigen bin ich selten zu Haus gewesen. Ich erinnere mich, daß sie als Kinder gut miteinander auskamen, doch mehr steckte kaum dahinter. Warum hätte Richard wohl sonst jene Französin geheiratet, die er im Krieg kennenlernte und die dann bald nach Julians Geburt starb?»
Lady Paradine zählte sechs weitere Bürstenstriche und fragte dann: «Warum hat Isobel nie geheiratet?»
Lord Paradine seufzte und versuchte, sich mit der Toilette zu beeilen. Dies drohte ja zu einem richtigen Verhör auszuarten, und er haßte es, ausgefragt zu werden. «Die Sorge um Vater und das Schloß hielten sie davon ab. Schade um sie. Isobel ist eine tüchtige Frau und hätte heiraten sollen.»
Lady Paradine fuhr fort, ihr Haar zu bürsten, ohne etwas zu erwidern. Lord Paradine fand ihr Schweigen noch unbequemer als ihre Fragen, denn es zwang ihn, nachzudenken.
«Für Richard wäre es vielleicht ganz gut, wenn Susan ihn heiraten würde», sagte er. «Es würde ihn jung erhalten. Und sie würde keine schlechte Partie machen.»
Lady Paradine sagte: «Der Gedanke, Lady Paradine zu werden, muß für Susan sehr verlockend sein, ob sie Mark nun liebt oder nicht. Ganz besonders, weil sie Amerikanerin ist.»
Lord Paradine starrte seine Frau verwirrt an. «Aber du hast doch eben gesagt...»
Lady Paradine entgegnete mitleidig: «Das ist doch klar, John; wenn man die Wahl zwischen zwei Adelstiteln hat, entscheidet man sich für den besseren.» Sie tauchte die Fingerspitzen in einen Topf mit Schönheitscreme und begann ihr Gesicht zu massieren. «Ich bin dagegen, daß mein Sohn Susan Marshall heiratet», sagte sie.
Lord Paradine stellte den Zahnputzbecher einen Augenblick hin, diesmal vor Überraschung über den harten, metallenen und geradezu drohenden Klang in der Stimme seiner Frau. Erblickte sie mit weit aufgerissenen Augen an; doch sie sagte nichts mehr und fuhr fort, in den Spiegel zu schauen und ihre Wangen mit Hautcreme zu bearbeiten. Paradine wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinen Zähnen zu.
Susan war Heros Rat gefolgt und hatte sich unausgezogen aufs Bett gelegt. Und um den Erfolg des Experimentes zu sichern, hatte sie alles im Zimmer ungefähr so geordnet, wie es in jener schrecklichen Nacht gewesen war.
Gedanken verschiedener Art bedrängten und beunruhigten sie: Wer oder was haßte sie? Wer oder was wünschte, sie von Paradine Hall zu vertreiben, und weshalb? Was zog sie so zu Alexander Hero hin? War er ihr sympathisch oder nicht? War Beth wirklich ihre Freundin? Und wie stand es mit Isobel und Lady Paradine? Liebte sie Mark? Liebte sie ihn genug, um ihre bisherigen Gewohnheiten und einen Teil ihrer Persönlichkeit aufzugeben und an seiner Seite ein anderes, neues Leben anzufangen? Hatte sie den Wunsch, Lady Paradine zu werden?
Und wie stand es mit Sir Richard — Beths Pseudo-Onkel — , dem Witwer mit dem neunjährigen Jungen? Richard wirkte immer noch jung und vital und bemühte sich um sie. Es machte ihr Spaß, in seiner Gesellschaft auszureiten und zu segeln, gleichzeitig aber glaubte sie in seinem Benehmen ihr gegenüber eine gewisse Unaufrichtigkeit wahrzunehmen, die sie beunruhigte. Sie mochte ihn gut leiden, dachte aber nicht mit derselben Wärme an ihn wie an Mark. Und nun war da auch noch Alexander Hero, den sie von den dreien weitaus am anziehendsten fand. Was bedeutete er ihr, dieser zu selbstsichere, zu intelligente und zu attraktive junge Mann?
Das war ihr letzter Gedanke, bevor sie einschlief. Jetzt aber war sie wieder hellwach. Sie spürte den kalten Luftzug und die Anwesenheit von etwas Fremdem im Zimmer. Wenn es nun nicht Hero wäre? durchzuckte es sie. Angenommen...? Die eisigen Finger umschlossen ihre Kehle — feuchte, klebrige, todeskalte Finger, die
Weitere Kostenlose Bücher