Immer dieser Michel
bißchen fein gesagt werden, damit sie nicht traurig wird."
Alfred war eine Seele von Mensch, aber er wußte sich keinen Rat, wie er es Lina beibringen sollte. Doch an einem Samstagabend, Anfang Mai, als Lina auf der Treppe vor dem Knechtshaus saß und beharrlich daraufwartete, daß er kommen würde, um schön mit ihr zu tun - da beschloß Alfred, daß es geschehen sollte. Er beugte sich aus dem Fenster und rief ihr zu:
"Hör mal. Lina! Da ist eine Sache, die ich dir schon lange sagen wollte!"
Lina kicherte. Nun sollte sicher etwas kommen, was sie gern hören würde.
"Was denn, mein lieber Alfred?" rief sie zurück. "Was willst du mir denn sagen?"
Ja, die Heiraterei, von der wir gesprochen haben - hörst du, die lassen wir sein. Das ist Schiet!"
So sagte er - armer Alfred! Es ist schlimm, darüber zu berichten.
Ich hätte es eigentlich auch nicht tun sollen, denn ich will dir ja keine häßlichen Wörter beibringen - außer denen, die du bereits kennst. Denk aber daran, daß Alfred nur ein armer Knecht in Lönneberga war, und das bist du nicht. Er konnte sich nicht feiner ausdrücken, obwohl er doch so lange darüber gegrübelt hatte, der arme Alfred.
Lina wurde übrigens nicht traurig.
"Denkst du", sagte sie. "Das wirst du schon noch sehen!"
In diesem Augenblick begriff Alfred, daß er wohl nie von Lina loskäme. Nur heute abend wollte er auf jeden Fall frei und glücklich sein.
Deshalb ging er mit Michel zum Katthultsee hinunter und angelte Barsche.
Es war ein Abend, so schön, wie er eigentlich nur in Smaland sein kann. Alle Kirschbäume in Katthult blühten, die Amseln sangen, die Mücken schwirrten, und die Barsche bissen an. Dort saßen sie, Michel und Alfred, und sahen ihre Korken auf dem blanken Wasser auf und nieder hüpfen. Sie sprachen nicht viel, aber sie 104
fühlten sich wohl. Sie saßen dort, bis die Sonne sank, und dann gingen sie heim. Alfred trug die Barsche, und Michel spielte auf einer Weidenflöte, die Alfred ihm geschnitzt hatte. Über die Wiese gingen sie, über einen wippenden Steg unter
frühlingsgrünen Birken. Michel blies auf seiner Flöte, daß die Amseln staunten; plötzlich aber schwieg die Flöte - er nahm sie aus dem Mund.
"Weißt du, was ich morgen machen werde?" fragte er.
"Nein", sagte Alfred. "Vielleicht wieder Unfug?"
Michel steckte die Flöte wieder in den Mund und begann zu spielen. Da ging er und blies und dachte scharf nach.
"Ich weiß nicht", sagte er schließlich. "Ich weiß das nie vor nachher."
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Michel bringt die Welt in Ordnung
Es gehört zu den Wundern dieser Welt, daß Michel, als er groß war, Gemeinderatspräsident wurde. Aber er wurde es wirklich und der beste Mann in ganz Lönneberga. Da sieht man, daß die aller-schlimmsten kleinen Kinder, wenn sie heranwachsen, mit der Zeit richtig gut werden können. Ich finde, es ist schön, darüber nachzudenken. Findest du das nicht auch? Ja, denn du hast wohl sicher auch eine Menge Unfug gemacht, wie ich mir denken kann. Ach so, nicht? Konnte ich mich so irren?
Michels Mutter versteckte die blauen Schreibhefte, in die sie alle seine Streiche schrieb, in einem Schubfach ihrer Kommode.
Schließlich war die Schublade mit Schreibheften so vollgestopft, daß mäh sie kaum herausziehen konnte. Immer war da ein Heft, daß sich knüllte und verquer stellte. Aber noch heute findet man sie dort aufbewahrt, in derselben alten Kommode, diese blauen Schreibhefte. Bis auf drei Hefte, die Michel einmal, als er Geld brauchte, der Lehrerin in der Sonntagsschule verkaufen wollte.
Als sie die Hefte nicht kaufen wollte, machte er Papierschiffchen daraus und ließ sie auf dem Katthultsee segeln, und danach hat keiner mehr etwas von ihnen gesehen.
Die Lehrerin in der Sonntagsschule begriff nicht, warum sie diese Schreibhefte von Michel kaufen sollte.
"Ich wüßte nicht, wozu ich die gebrauchen könnte!" sagte sie erstaunt.
"Um den Kindern beizubringen, daß sie nicht genauso schrecklich werden wie ich", sagte Michel.
Ja, ja, Michel wußte selbst, was für ein Ausbund er war, und wenn er das einmal vergessen sollte, dann gab es immer noch Lina, die Magd auf dem Hof Katthult war, die konnte ihn daran erinnern.
"Dich zur Sonntagsschule zu schicken, das lohnt doch nicht", sagte sie, "denn du bist zu abgebrüht und kommst sowieso niemals in den Himmel... außer - es könnte ja sein - die brauchten da oben eine Hilfe fürs Gewitter!"
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Lina fand, daß es immer dort, wo Michel war, Donner und Krach gab.
"Ich habe
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