Immer für dich da (German Edition)
rührte, schrie Kate: »Auf der Stelle. Verschwinde verdammt noch mal aus diesem Zimmer. Hier ist nur die Familie zugelassen.«
Neben Johnnys Bett ging ein Alarm los.
Unverzüglich kam eine ganze Schwesternschar ins Zimmer gestürzt und drängte sie beide beiseite. Sie hoben Johnny auf eine Rolltrage und schoben ihn aus dem Zimmer.
Kate stand da und starrte auf sein leeres Bett.
»Katie –«
»Verschwinde!«, forderte sie dumpf.
Tully packte sie am Ärmel. »Komm schon, Katie. Wir sind doch Freundinnen, für immer, was auch kommen mag. Schon vergessen? Du brauchst mich jetzt.«
»Eine Freundin wie dich brauche ich sicher nicht.« Sie riss sich los und rannte aus dem Zimmer.
Erst als sie ein Stockwerk höher in der Damentoilette stand und auf die grüne Metalltür ihrer Kabine starrte, konnte sie weinen.
Stunden später saß Kate allein im Aufenthaltsraum. Noch nie war die Zeit so langsam vergangen. Sie hatte nichts mehr zu tun, nichts mehr, womit sie sich hätte ablenken können. Sie wollte sich ein paar Zeitschriften ansehen, doch die waren auf Deutsch und die Bilder konnten sie nicht fesseln. Selbst ein Anruf bei ihren Eltern hatte nicht geholfen. Ohne Tully, an der sie sich festhalten konnte, hatte sie das Gefühl, in ihrer Verzweiflung zu ertrinken.
»Mrs Ryan?«
Kate sprang auf. »Hallo, Doktor. Wie ist die Operation verlaufen?«
»Ihm geht es recht gut. In seinem Hirn sind beträchtliche Blutungen aufgetreten, die wir für die kontinuierliche Schwellung verantwortlich machen. Aber die konnten wir jetzt stoppen. Vielleicht ist das Anlass zu neuer Hoffnung. Soll ich Sie bis zu seinem Zimmer begleiten?«
Sie klammerte sich daran, dass er noch lebte.
»Danke.«
Als sie am Schwesternzimmer vorbeikamen, fragte er: »Soll ich Ihre Freundin für Sie anrufen? Sie möchten jetzt sicher nicht allein sein.«
»Das stimmt, ich möchte jetzt nicht allein sein«, antwortete Kate. »Aber meine Freundin ist hier nicht länger willkommen.«
»Ach so. Nun, dann dürfen Sie den Glauben nicht aufgeben, dass er wieder aufwachen wird. In meiner Zeit hier habe ich mehr als nur ein Wunder erlebt und denke, dass der Glaube oft seinen Teil dazu beiträgt.«
»Ich habe Angst, mir zu viel Hoffnung zu machen«, erwiderte sie leise.
Vor der geschlossenen Tür von Johnnys Zimmer hielt er kurz inne und blickte sie an. »Ich sag ja auch nicht, dass es leicht ist, seinen Glauben zu bewahren; nur, dass es notwendig ist. Und Sie sind ja hier, an seiner Seite. Das allein erfordert schon Mut.« Er tätschelte ihr die Schulter und ließ sie vor der Tür stehen.
Sie wusste nicht, wie lange sie dort auf dem kahlen weißen Gang stand; irgendwann jedoch ging sie ins Zimmer und setzte sich. Sie schloss die Augen und fing mit leiser, stockender Stimme an, ihm etwas zu erzählen. Was, das wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass eine Stimme schon ein Licht in der Dunkelheit sein konnte, ein Licht, das einen hinauslotste.
Und bevor sie sich’s versah, war ein neuer Tag angebrochen. Die Sonne schien durchs Fenster und fiel auf den beigefarbenen Linoleumboden und die grau-weißen Wände.
Sie erhob sich von ihrem Stuhl und stellte sich ans Bett. Ihre Glieder waren steif und schmerzten. »Hey, mein Hübscher«, murmelte sie und küsste Johnny auf die Wange. Sein Augenverband war entfernt worden; jetzt sah sie, wie geschwollen und verfärbt sein linkes Auge war. »Also, keine weiteren Hirnblutungen mehr, klar? Wenn du um Aufmerksamkeit heischen willst, versuch’s auf die gute, alte Art und werd wütend. Oder küss mich.«
Sie sprach mit ihm, bis ihr nichts mehr einfiel. Schließlich schaltete sie den Fernseher ein, der in einer Ecke hing. Er sprang mit leichtem Bitzeln an und zeigte dann ein körniges Schwarzweißbild. »Da, der Apparat, den du so liebst«, sagte sie mit bitterer Stimme und griff nach Johnnys Hand. Sie nahm seine trockenen, schlaffen Finger und hielt sie fest. Dann küsste sie ihn noch einmal auf die Wange und verweilte dort. Obwohl er nach Krankenhaus roch, nach Desinfektionsmittel und Medizin, meinte sie, wenn sie sich nur stark genug bemühte, nur genug daran glaubte, seinen vertrauten Geruch wahrzunehmen. »Der Fernseher ist an. Du bist die Nachricht des Tages.«
Müßig zappte sie durch die Kanäle und suchte nach einem englischsprachigen Programm.
Plötzlich erschien Tullys Gesicht auf dem Bildschirm.
Sie stand mit einem Mikrophon in der Hand vor dem Krankenhaus. Untertitel brachten die Übersetzung dessen, was
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