Immer für dich da (German Edition)
werden kann, wenn sie nicht recht behält.«
Die nächsten sechs Stunden wachten sie an seinem Bett. Kate redete, so viel sie konnte; doch immer wenn ihr nichts mehr einfiel oder sie weinen musste, übernahm Tully.
Irgendwann mitten in der Nacht – Kate hatte jegliches Zeitgefühl verloren – gingen sie in die Cafeteria, kauften sich etwas aus dem Automaten und setzten sich an einen Tisch am Fenster.
»Was willst du mit der Presse machen?«
Kate blickte auf. »Was meinst du damit?«
Tully zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Kaffee. »Du hast doch draußen die Reporter gesehen. Es ist eine große Story, Katie.«
»Die Krankenschwester hat mir erzählt, sie hätten versucht, ihn zu fotografieren, als er gebracht wurde. Einer wollte sogar jemanden von der Station bestechen, um ein Bild von seinem verbundenen Kopf zu bekommen. Alles Aasgeier. Nimm’s nicht persönlich.«
»Nein, aber wir sind nicht alle so, Katie.«
»Ihm wäre es nicht recht.«
»Ist das dein Ernst? Johnny ist Journalist. Ganz sicher würde er dafür plädieren, seinen Kollegen – oder zumindest einem von ihnen – die Story zu lassen.«
»Du meinst, er wollte die ganze Welt wissen lassen, dass er möglicherweise eine Hirnschädigung behält oder blind bleibt? Wie sollte er dann je wieder einen Job bekommen? Auf gar keinen Fall. Diese Story bleibt unter Verschluss, bis ich weiß, wie es ihm geht.«
»Haben sie gesagt, er könnte eine Hirnschädigung haben?«
»Sie haben einen Teil der Schädeldecke entfernt. Was meinst du denn?« Kate erschauerte. »Die Welt hat kein Recht auf einen Blick unter seinen Verband.«
»Aber das ist die Medienwelt, Kate. Wenn du mir ein Exklusivinterview geben würdest, könnte ich dich schützen.«
»Wenn die verdammten Medien nicht wären, müsste er jetzt nicht um sein Leben kämpfen.«
»Ich bin nicht die Einzige, der die Medien wichtig sind.« Das war eine Erinnerung an das, was Johnny und Tully verband und Kate immer ausgeschlossen hatte. Sie wollte darauf etwas Bissiges erwidern, doch vor lauter Müdigkeit fiel ihr nichts ein.
Tully legte ihre Hand auf Kates. »Lass mich für dich mit der Presse verhandeln. Mich ganz allein. Dann brauchst du noch nicht mal darüber nachzudenken.«
Zum ersten Mal seit etwa vierundzwanzig Stunden lächelte Kate. »Was würde ich nur ohne dich machen, Tully?«
»Das soll wohl ein Witz sein? Seit drei Tagen warte ich auf Ihren Anruf, und jetzt, da ich endlich von Ihnen höre, wollen Sie mehr Zeit?«
In dem Versuch, sich wenigstens ein klein wenig mehr von der Öffentlichkeit abschirmen zu können, lehnte sich Tully näher ans Münztelefon. »Die Familie ist noch nicht dazu bereit, an die Öffentlichkeit zu gehen, Maury. Die Ärzte respektieren ihren Wunsch. Das verstehen Sie ja wohl.«
»Verstehen? Es ist doch scheißegal, ob ich’s verstehe. Hier geht’s um eine Topstory, Tully, nicht um irgendeinen gottverdammten Ehemaligenzirkel. CNN hat berichtet, dass er eine Kopfverletzung –«
»Das ist offiziell noch nicht bestätigt.«
»Verdammt, Tully. Sie bringen mich in eine verteufelt prekäre Lage. Meine Vorgesetzten sind stinksauer. Heute Morgen war schon die Rede davon, Sie von der Story abzuziehen. Dick will einen anderen –«
»Ich besorg uns was.«
»Besorgen Sie mir heute die Story, dann befördere ich Sie nächste Woche zum Nachrichtentisch.«
Einen Moment lang dachte Tully, sie hätte sich verhört. »Im Ernst?«
»Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden, Tully. Wenn die Zeit abgelaufen ist, sind Sie entweder drin oder draußen. Es liegt ganz bei Ihnen.«
Tully hörte, wie er den Hörer aufknallte. Durch die großen Fenster der Eingangshalle sah sie die Reporter, die sich auf dem Bürgersteig drängten. Drei Tage warteten sie bereits auf eine offizielle Verlautbarung über Johnnys Zustand.
Sie stand da und fragte sich, wie zum Teufel sie jetzt vorgehen sollte. Alles musste genau so arrangiert sein, dass sowohl Maury als auch Kate bekamen, was sie wollten. Es lag ganz bei Tully, und wenn sie dies richtig anpackte, würde es sich auf ihre ganze Zukunft auswirken. Lieber würde sie sterben, als Edna hängenzulassen, und wie Edna gesagt hatte, konnte sie sowohl ihre Arbeit machen als auch Kate schützen. Sie musste die Story bringen, aber entscheidend war, wie sie das tat.
Behutsam. Taktvoll. Ohne die Erwähnung eines möglichen Hirn- oder Augenschadens. Dann bekam jeder, was er wollte.
Den Nachrichtentisch.
Ihr ganzes Leben
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