Immer für dich da (German Edition)
die Zeit so schnell vergangen war, doch vor ihren Augen hatte sie den Beweis. Es war November 2002 , und die letzten vierzehn Monate hatten die ganze Welt verändert. Seit dem Bombenanschlag auf die Zwillingstürme beherrschten Antiterrormaßnahmen und Vergeltungsschläge die Nachrichten, und Begriffe wie Al Kaida, Taliban und Pakistan waren in aller Munde.
Angst regierte, und dennoch ging das Leben weiter, so wie immer. Bei Kate drehte sich wie üblich alles um die Familie: Sie erledigte ihre Pflichten, zog ihre Kinder auf und liebte ihren Mann. Es war nur zu verständlich, wenn sie versuchte, alle in ihrem kleinen geschützten Kokon zu halten; die Welt war nicht mehr so sicher wie früher.
Jetzt stand Thanksgiving vor der Tür, und Weihnachten war nicht mehr fern.
Es war die Jahreszeit, in der alle Frauen, hin- und hergerissen zwischen Vorfreude und Stress, ihre gespaltene Persönlichkeit entdeckten. Kate hatte oft Schwierigkeiten, einen Moment innezuhalten und den Augenblick zu genießen.
Jetzt parkte sie vor der Schule und arbeitete an ihrer Weihnachtsliste. Sie hatte erst ein paar Posten notiert, da läutete bereits die Schulglocke und die Schüler kamen herausgeströmt.
Marah war normalerweise von Mitschülerinnen umringt, denn wie Killerwale bewegten sich Mädchen kurz vor der Pubertät nur noch im Pulk. Doch heute kam sie allein, mit gesenktem Kopf und verschränkten Armen, über den Schulhof.
Sofort wusste Kate, dass etwas nicht in Ordnung war. Die Frage war nur: Wie schlimm war es? Marah war jetzt zwölf, was hieß, dass die Hormone aus ihrem Körper einen brodelnden Hexenkessel der gegensätzlichsten Gefühle machten. Neuerdings war selbst die kleinste Kleinigkeit ein großes Drama.
»Hey«, sagte Kate vorsichtig, weil sie wusste, dass ein falsches Wort bereits Streit auslösen konnte.
»Hey.« Marah setzte sich auf den Beifahrersitz und langte nach dem Sicherheitsgurt. »Wo sind die Nervensägen?«
»Auf Evans Geburtstag. Daddy holt sie ab.«
»Aha.«
Kate fädelte sich in den stockenden Verkehr ein. Den gesamten Heimweg versuchte sie, ein Gespräch anzufangen, doch ihre Versuche erbrachten entweder einsilbige Antworten oder Augenverdrehen und dramatisches Aufseufzen. Als sie in die Garage fuhren, wagte Kate einen letzten Vorstoß. »Ich wollte für die Thanksgiving-Party der Jungs morgen etwas backen. Hast du Lust, mir zu helfen?«
Da endlich sah Marah sie an. »Die kürbisförmigen Kekse mit der orangefarbenen Glasur und den grünen Sprenkeln?«
Für eine Sekunde war ihre Tochter wieder das kleine Mäd- chen, das sie mit großen Augen hoffnungsvoll anschaute. Ihre Mundwinkel verzogen sich leicht nach oben. Beide mussten an all die gemeinsam erlebten Halloween-Partys denken.
»Genau die«, sagte Kate.
»Die liebe ich.«
Das hatte Kate sich gedacht. »Weißt du noch, als Mrs Norman genau mit denselben ankam und du so wütend wurdest, dass du jeden gezwungen hast, von beiden zu kosten, um zu beweisen, dass unsere besser waren?«
Endlich lächelte Marah. »Mr Robbins war echt sauer auf mich. Ich musste ihm nach der Party beim Saubermachen helfen.«
»Emily hat dir auch geholfen.«
Marahs Lächeln verblasste. »Ja.«
»Also, willst du mir jetzt helfen?«
»Na klar.«
Kate vermied es sorgfältig, sich ihre Freude anmerken zu lassen. Obwohl sie am liebsten gegrinst und gesagt hätte, wie froh sie sei, nickte sie nur und folgte ihrer Tochter in die Küche. In den letzten turbulenten Jahren mit einer Tochter in der Vorpubertät hatte sie eins gelernt: Wenn deren Gefühle Achterbahn fuhren, musste sie als Mutter immer ganz ruhig bleiben.
Die nächsten drei Stunden buken sie Plätzchen. Dabei sprachen sie über dies und das und mieden alle bedeutenden Themen. Kate sondierte nur das Terrain. Instinktiv wusste sie, wann der richtige Zeitpunkt gekommen war. Als sie gerade das letzte Blech Cookies mit Zuckerguss überzogen hatten und das schmutzige Geschirr an der Spüle stapelten, fragte sie: »Willst du noch ein Blech backen? Das könntest du Ashley bringen.«
Da wurde Marah ganz still. »Nein«, antwortete sie kaum hörbar.
»Aber Ash liebt diese Cookies. Weißt du noch –«
»Sie hasst mich«, sagte Marah, und plötzlich brachen die Dämme, und Tränen traten ihr in die Augen.
»Habt ihr euch gestritten?«
»Weiß ich nicht.«
»Wieso weißt du das nicht?«
»Ich weiß es einfach nicht, klar?« Marah brach in Tränen aus und wandte sich ab.
Kate streckte den Arm aus und zog Marah
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