Immer für dich da (German Edition)
der Einfahrt mit dem Schild Sunshine Farms einbogen, verlor sie langsam die Fassung.
Die Kommune war genau wie die anderen, die sie bereits gesehen hatten: Wohnwagenburgen, riesige, sanft geschwungene Äcker mit Feldfrüchten und ungepflegt wirkende Menschen, die im modernen Äquivalent von Sack und Asche gingen. Hier allerdings wohnte man in Rundzelten, die Jurten genannt wurden. Mindestens dreißig von ihnen säumten den Fluss.
Johnny bog auf einen Parkplatz und stieg aus. Fat Bob folgte ihm.
Marah fragte besorgt: »Ist alles in Ordnung mit dir, Tante Tully?«
»Sei still, Marah«, befahl Johnny. »Komm zu mir.«
Tully wusste, dass sie auf sie warteten, doch sie rührte sich nicht. Ständig warteten alle auf sie, das war eins der Privilegien, wenn man berühmt war.
»Du schaffst das«, sagte sie zu der verängstigt wirkenden Frau im Rückspiegel. Sie hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, ihr Herz mit einer dicken Schicht Lack zu umgeben, die sie nun aufbrechen sollte, um sich in ihrer ganzen Verletzlichkeit zu zeigen.
Vorsichtig öffnete sie die Tür und stieg aus.
Fat Bob und seine Kamera warteten schon auf sie.
Tully holte tief Luft und lächelte. »Wir sind hier in der Sunshine-Farms-Kommune. Uns wurde gesagt, dass meine Mutter seit einer Woche hier wohnt, allerdings hat sie die Adresse noch nicht meinem Anwalt geschickt, daher wissen wir nicht, ob sie plant, länger zu bleiben.«
Sie ging zu einer Reihe mit Ständen, wo müde wirkende Frauen ihre Waren anboten.
Keine von ihnen schien es zu kümmern, dass ein Mann mit einer Kamera auf sie zukam. Oder eine berühmte Journalistin.
»Ich bin Tallulah Hart und suche nach dieser Frau.« Sie hielt ihnen das Foto hin.
Fat Bob trat von links ganz nah an sie heran. Die meisten wussten nicht, wie nah Kameras manchmal heranfahren mussten, um auch die feinsten Gefühlsregungen einfangen zu können.
»Cloud«, sagte eine der Frauen mit ausdrucksloser Miene.
Tullys Herz setzte einen Schlag aus. »Ja.«
»Sie ist nicht mehr hier. Zu viel Arbeit für sie. Als ich das letzte Mal von ihr hörte, war sie drüben am alten Maulbeerbaumplatz. Was hat sie getan?«
»Nichts. Sie ist meine Mutter.«
»Aber sie sagte, sie hätte keine Kinder.«
Tully wusste, dass die Kamera ihr gequältes Zusammenzucken eingefangen hatte. »Das überrascht mich nicht. Wie kommen wir zum Maulbeerbaumplatz?«
Während die Frau ihr die Richtung wies, wurde Tully von einer Welle der Angst überflutet. Sie wandte sich ab und schlenderte zu einem Zaun, um einen Moment für sich zu sein. Johnny ging ihr nach und fragte sie so leise, dass die Kamera es nicht mitbekam: »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ich habe Angst«, flüsterte sie und sah zu ihm auf.
»Du schaffst das. Sie kann dir nicht mehr weh tun, du bist doch Tallulah Hart, schon vergessen?«
Genau das hatte sie gebraucht. Sie fühlte sich wieder stärker, lächelte und wandte sich der Kamera zu, ohne sich die Mühe zu machen, sich die Tränen abzuwischen. »Ich schätze, ich wünsche mir immer noch, von ihr geliebt zu werden«, gestand sie leise. »Gehen wir.«
Sie stiegen in den Van und fuhren auf den Highway. Irgendwann bogen sie nach links ab und holperten über eine Schotterpiste, bis ein alter beigefarbener Wohnwagen in Sicht kam. Er stand auf Holzklötzen auf einer Wiese und war von verrosteten alten Wagen umgeben.
»Los geht’s«, meinte Tully und lächelte schwach, als sie nach dem Türgriff langte.
Sie stiegen alle gleichzeitig aus und bewegten sich dann im Trupp: Tully ganz vorn, mit tapfer gespieltem Selbstbewusstsein; Fat Bob neben oder auch manchmal vor ihr, um jedes Detail auf Film zu bannen; und Johnny hinter ihnen. Er hielt Marah an der Hand und befahl ihr immer wieder, ganz leise zu sein.
Tully klopfte an die Wohnwagentür.
Keine Antwort.
Sie klopfte erneut und wollte gerade erleichtert vermelden: Keiner da!, als die Tür aufschwang und ein riesiger Mann mit Boxershorts und zottiger Mähne erschien. Die linke Hälfte seines haarigen dicken Bauchs zeigte das Tattoo einer Frau im Hularock.
»Jaah?«, fragte er und kratzte sich am Unterarm.
»Ich wollte Cloud besuchen.«
Der Mann neigte den Kopf zur Seite, trat aus dem Wohnwagen und ging einfach an ihr vorbei.
Tully tränten die Augen, als ein übler Geruch aus dem Inneren des Wohnwagens drang. Am liebsten hätte sie sich zur Kamera gewandt und etwas Witziges gesagt, doch sie konnte vor lauter Nervosität nicht mal schlucken. Im Wagen erwarteten sie
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