Immer für dich da (German Edition)
Lächeln, ging ins Wohnzimmer, schnappte sich den Koffer und führte Kate dann zum Wagen.
»Nicht jedes Entführungsopfer darf in einem Mercedes fahren.«
Tully schob eine CD ein, und Minuten später schossen sie schon über die Agate Pass Bridge und bahnten sich einen Weg durch das Reservat, wo Stände mit Artefakten der ansässigen Indianerstämme den Highway säumten.
»Wohin fahren wir?«, erkundigte sich Kate.
»Das lass mal meine Sorge sein.« Tully drehte die Anlage auf. Madonna sang gerade »Papa Don’t Preach«, und kurz darauf fielen sie mit ein. Song um Song folgte, deren Text sie noch aus ihrer Jugend kannten. Madonna. Chigaco. The Boss. The Eagles. Prince. Queen. »Bohemian Rhapsody« war eins ihrer besonderen Lieblingslieder, und als es ertönte, schwangen sie in perfekter Imitation von Garth und Wayne ihre Köpfe im Takt der Musik.
Kurz nach zwei erreichten sie endlich ihr Ziel. »Da sind wir«, verkündete Tully. »Der Portier guckt so komisch. Nimm dir lieber die Augenbinde ab.«
Kate riss sie gerade noch rechtzeitig herunter, bevor der Portier sie in der Salish Lodge begrüßte und die Tür öffnete. Sie hörten das ferne Brausen der Snoqualmie Falls, konnten es aber weder lokalisieren noch den Wasserfall selbst sehen. Dennoch vibrierte der Boden, und die Luft war feucht und schwer.
Tully ging zum Einchecken zur Rezeption, dann folgten sie dem Pagen zu ihrer Ecksuite, in der es zwei Schlafzimmer und ein Wohnzimmer mit Kamin gab, von wo aus man den Snoqualmie River auf seinem Weg zum Wasserfall sehen konnte.
Der Page und Tully tauschten Wellness-Programm gegen Trinkgeld, und dann waren die Freundinnen allein.
»Das Wichtigste zuerst«, erklärte Tully. Sie war bereits lange genug beim Fernsehen, um zu wissen, wie entscheidend die Dramaturgie eines Programms war. Daher hatte sie ihren Aufenthalt genauestens geplant. Sie öffnete ihren Koffer, holte zwei Limonen, einen Salzstreuer und den teuersten Tequila hervor, den sie je gekauft hatte. »Tequila.«
»Du bist ja wahnsinnig. Ich hab keinen Tequila mehr getrunken, seit –«
»Zwing mich nicht, auf dich zu schießen. Mir geht bald die Munition aus.«
Kate lachte. »Okay. Schenk ein, Bardame.«
»Noch einen«, sagte Tully direkt darauf.
Kate zuckte mit den Schultern und trank.
»Okay. Badeanzüge. Zieh deinen an. In deinem Zimmer ist ein Bademantel.«
Wie üblich folgte ihr Kate.
»Wohin gehen wir?«, erkundigte sie sich, als sie über den Hauptflur gingen.
»Wirst du schon sehen.«
Sie kamen zum Wellness-Bereich und folgten den Pfeilen zum Whirlpool.
In einer Ecke entdeckten sie einen dampfenden Pool, der halb rustikal, halb asiatisch dekoriert war. Es roch nach Lavendel und Rosen. Üppige Grünpflanzen in Terrakotta- und Bronzetöpfen gaben einem fast das Gefühl, im Freien zu sein.
Sie stiegen in das heiße, brodelnde Wasser.
Kate seufzte auf und lehnte sich zurück. »Himmlisch.«
Tully betrachtete sie und erkannte trotz der dunstigen, alle Konturen verwischenden Luft, wie abgekämpft sie wirkte. »Du siehst schrecklich aus«, sagte sie sanft.
Langsam schlug Kate die Augen auf. Tully sah kurz einen Anflug von Zorn darin aufblitzen, der jedoch sofort wieder verschwand. »Es liegt an Marah. Manchmal sieht sie mich an, als würde sie mich wirklich und wahrhaftig hassen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie weh das tut.«
»Das ist sicher nur eine Phase.«
»Das sagt jeder, aber ich glaube nicht daran. Wenn ich sie nur dazu bringen könnte, mit mir zu reden und mir zuzuhören. Wir wollten sogar schon zur Familienberatung, aber sie weigerte sich mitzukommen.«
»Du kannst kein Kind dazu zwingen, sich zu öffnen. Sie reagieren nur auf den Druck Gleichaltriger.«
»Ach, Marah öffnet sich schon. Du würdest nicht glauben, was sie mir alles an den Kopf wirft. Sie meint, es gäbe keine zweite Mutter auf der Welt, die so grässlich überbehütend ist wie ich.«
In Kates Augen lag eine so abgrundtiefe Traurigkeit, dass Tully plötzlich Angst bekam, obwohl sie sich einreden wollte, es sei nur ganz normaler Stress. Kein Wunder, dass Johnny sich solche Sorgen machte. Im Jahr zuvor hatte Tully eine junge Mutter interviewt, die vor lauter Überlastung Depressionen bekommen hatte. Ein paar Monate nach dem Interview hatte die Frau eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Allein der Gedanke machte ihr Heidenangst. Sie musste einfach einen Weg finden, Kate zu helfen. »Vielleicht solltest du dir professionelle Hilfe suchen.«
»Bei einem
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