Immer für dich da (German Edition)
musste lächeln. »Ja.«
»Dann sag ich dir was: Lad Tully doch einfach am Freitag zum Abendessen ein.«
»Du wirst sie lieben. Das weiß ich genau.«
»Ganz bestimmt.« Ihre Mutter gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Gute Nacht.«
»Nacht, Mom.«
Noch lange nachdem ihre Mutter gegangen und im Haus alles still geworden war, lag Kate da und konnte nicht einschlafen. Sie war zu aufgeregt, sie konnte es gar nicht abwarten, Tully einzuladen. Danach konnten sie fernsehen, etwas spielen oder üben, sich zu schminken. Vielleicht würde Tully sogar bei ihr schlafen. Dann konnten sie –
Pock.
– über Jungen und Küssen reden und –
Pock.
Kate setzte sich auf. Das war kein Vogel auf dem Dach. Auch keine Maus in der Wand.
Pock.
Das war ein Steinchen, das auf Glas schlug.
Sie eilte zum Fenster und schob es auf.
Dort stand Tully, im Garten, mit einem Fahrrad. »Komm runter«, sagte sie, viel zu laut, und winkte heftig.
»Ich soll mich rausschleichen?«
»Ja. Genau.«
Das hatte Kate noch nie gemacht, aber sie durfte jetzt nicht herumzicken. Wenn man cool war, brach man nun mal die Regeln und schlich sich aus dem Haus. Das wusste doch jeder. Allerdings wusste auch jeder, dass das Ärger bringen konnte. Genau das war es, wovor ihre Mom sie gewarnt hatte.
Pass auf dich auf, wenn du mit Tully Hart zusammen bist.
Kate wischte das beiseite. Wichtig war nur Tully.
»Bin schon unterwegs.« Sie schob das Fenster wieder zu und suchte nach ihren Kleidern. Glücklicherweise lag dort ihr Overall. Sie schlüpfte aus ihrem Schlafanzug, zog sich rasch an und schlich dann den Flur hinunter. Als sie am Schlafzim- mer ihrer Eltern vorbeikam, pochte ihr Herz so heftig, dass ihr fast schwindelig wurde. Auf der Treppe knarrten die Stufen bei jedem Schritt, doch schließlich hatte sie es geschafft.
An der Hintertür hielt sie kurz inne und dachte: Das könnte großen Ärger geben, aber dann ging sie hinaus.
Tully wartete auf sie. Neben ihr stand das tollste Fahrrad, das Kate je gesehen hatte. Es hatte einen Lenker mit hochgebogenen Griffen, einen winzigen, nierenförmigen Sitz und eine Menge Kabel und Drähte. »Wow«, sagte sie. Für ein solches Rad musste man eine Menge Beeren pflücken.
»Hat zehn Gänge. Grandma hat es mir zu Weihnachten geschenkt. Willst du mal fahren?«
»Auf gar keinen Fall.« Kate drückte leise die Tür zu. Dann holte sie ihr Rad aus dem Carport. Es war rosa, hatte einen U-förmigen Lenker, einen Bananensitz mit Blümchen und einen weißen Rattankorb. Total uncool, ein Kleinmädchenrad.
Aber anscheinend bemerkte Tully das gar nicht. Sie fuhren die durchweichte, holprige Einfahrt zur Straße hinunter. Dort bogen sie nach links und traten kräftig in die Pedalen. Am Summer Hill meinte Tully: »Guck mir zu, und mach’s nach.«
Sie rasten den Hügel hinauf, als würden sie fliegen. Kates Haare wehten wie eine Fahne hinter ihr, und ihre Augen tränten. Um sie herum rauschten die dunklen Bäume im Wind. Am samtschwarzen Himmel funkelten die Sterne.
Tully lehnte sich zurück und streckte die Arme aus. Lachend blickte sie zu Kate hinüber. »Los, versuch’s mal.«
»Nein, ich kann nicht. Wir sind zu schnell.«
»Darum geht’s ja.«
»Aber das ist gefährlich.«
»Komm schon. Nur Mut, Katie. Gott hasst Feiglinge.« Dann fügte sie, ganz leise, hinzu: »Vertrau mir.«
Da blieb Kate keine andere Wahl. Vertrauen war wichtig in einer Freundschaft, und mit Angsthasen gab Tully sich nicht ab. »Komm schon.« Sie versuchte, streng zu klingen.
Sie holte tief Luft, sprach ein kurzes Gebet und streckte die Arme aus.
Sie flog, sie segelte durch die dunkle Nacht den Hang hinunter. Die Luft roch nach den nahe gelegenen Ställen, nach Pferden und süßem Heu. Sie hörte Tully neben sich lachen, doch bevor sie auch nur ein Lächeln zustande brachte, ging etwas schief. Ihr Vorderreifen stieß gegen einen Stein, dann bockte ihr Rad wie ein Bulle beim Rodeo, kippte zur Seite und verfing sich mit Tullys Vorderreifen. Sie kreischte auf und griff nach dem Lenker, doch es war bereits zu spät. Jetzt flog sie wirklich durch die Luft. Viel zu schnell kam ihr die Straße entgegen und stoppte sie schmerzhaft. Sie schlitterte und landete zusammengerollt in einem schlammigen Graben.
Tully konnte nicht rechtzeitig anhalten und fuhr direkt in sie hinein.
Benommen starrte Kate hinauf zum Himmel. Alles tat ihr weh. Ihr linkes Fußgelenk fühlte sich an, als wäre es gebrochen. Es war geschwollen und tat tierisch
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