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Immer für dich da (German Edition)

Immer für dich da (German Edition)

Titel: Immer für dich da (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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nicht gefürchtet hätte, bei der geringsten Bewegung in Tränen auszubrechen. Also starrte sie nur in Mrs Mularkeys Augen und entdeckte dort etwas, womit sie nicht gerechnet hatte: Verständnis.
    Im Wohnzimmer stolperte Cloud zum Fernseher und wechselte den Sender. Auf dem Bildschirm konnte Tully Jean Enersen erkennen, die vom Topthema des Tages berichtete.
    »Du machst alles, stimmt’s?«, fragte Mrs Mularkey so leise, als befürchtete sie, Cloud könne sie hören. »Die Rechnungen bezahlen, einkaufen, das Haus sauber halten. Woher bekommt ihr eigentlich euer Geld?«
    Tully schluckte hart. Noch nie hatte jemand so klar ihr Leben durchschaut. »Großmutter schickt jede Woche einen Scheck.«
    »Mein Dad war ein Säufer, und die ganze Stadt wusste es«, erklärte Mrs Mularkey in einem Tonfall, der genauso sanft war wie ihr Blick. »Außerdem war er ziemlich gemein. Am Wochenende musste meine Schwester Georgia ihn immer aus der Kneipe abholen. Den ganzen Weg nach Hause schlug und beschimpfte er sie. Sie war wie einer dieser Rodeoclowns, die zwischen Cowboy und Bullen springen. Am Ende meiner Junior-High-Zeit wusste ich, warum sie in schlechte Gesellschaft geriet und anfing zu trinken.«
    »Sie wollte nicht mehr bemitleidet werden.«
    Mrs Mularkey nickte. »Sie hasste es, von anderen mitleidig angeschaut zu werden. Aber es ist nicht wichtig, was die anderen tun. Das hab ich damals gelernt. Es sagt nichts über dich aus, wer deine Mom ist und wie sie ihr Leben führt. Du kannst deine eigenen Entscheidungen treffen. Und es gibt nichts, dessen du dich schämen müsstest. Aber du musst dir Ziele stecken, Tully, große Ziele. Wie Jean Enersen dort im Fernsehen. Nur eine Frau, die weiß, was sie will, kann einen solchen Platz im Leben finden.«
    »Und woher weiß ich denn, was ich will?«
    »Halt die Augen offen und tu das Richtige. Geh aufs College. Und vertrau deinen Freunden.«
    »Aber ich vertraue Katie doch.«
    »Dann wirst du ihr also die Wahrheit sagen?«
    »Könnte ich nicht einfach nur versprechen –«
    »Eine von uns wird es ihr sagen, Tully. Und ich fände es besser, wenn du es wärst.«
    Tully holte tief Luft und atmete dann geräuschvoll aus. Obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, die Wahrheit zu sagen, wusste sie, dass ihr nichts anderes übrigblieb. Sie wollte, dass Mrs Mularkey stolz auf sie war. »Okay.«
    »Gut. Dann sehen wir uns morgen zum Abendessen. Fünf Uhr. Deine Chance, noch mal ganz von vorne anzufangen.«
    Am nächsten Abend zog sich Tully mindestens viermal komplett um, weil sie genau passend gekleidet sein wollte. Dann war es schon so spät, dass sie den kurzen Weg über die Straße und die Anhöhe hinaufrennen musste.
    Kates Mom öffnete die Tür. Sie lächelte und sagte: »Ich muss dich warnen, bei uns ist es laut und chaotisch.«
    »Laut und chaotisch ist genau mein Ding«, antwortete Tully.
    »Dann bist du hier richtig.« Mrs Mularkey führte Tully ins Wohnzimmer. Es hatte beigefarbene Wände, einen moosgrünen Teppich, ein knallrotes Sofa und einen schwarzen Fernsehsessel. Außer einem goldgerahmten Jesusbild und einem Foto von Elvis gab es keinerlei Wandschmuck, aber auf dem Fernseher drängten sich Dutzende von Familienfotos. Tully dachte unwillkürlich an ihren eigenen Fernseher. Dort drängten sich nur überquellende Aschenbecher und leere Zigarettenschachteln.
    »Bud?«, sagte Mrs Mularkey zu dem kräftigen dunkelhaarigen Mann im Fernsehsessel. »Das hier ist Tully Hart von gegenüber.«
    Mr Mularkey lächelte und stellte seinen Drink ab. »Schön, schön. Du bist also diejenige, von der wir schon so viel gehört haben. Ich freu mich, dich kennenzulernen, Tully.«
    »Ich mich auch.«
    Mrs Mularkey tätschelte ihr die Schulter. »Wir essen erst in einer Stunde. Katie ist oben in ihrem Zimmer. Im obersten Stock. Ihr Mädels habt sicher noch ’ne Menge zu besprechen.«
    Tully begriff und nickte, weil ihr plötzlich die Stimme versagte. Jetzt, da sie hier in diesem Haus stand, das nach selbstgekochtem Essen duftete, neben der besten Mutter der Welt, konnte sie sich plötzlich nicht mehr vorstellen, das alles zu verlieren und nicht mehr willkommen zu sein. »Ich werde sie nie wieder anlügen«, versprach sie.
    »Gut. Aber jetzt geh.« Mit einem Lächeln ging Mrs Mularkey ins Wohnzimmer.
    Dort legte Mr Mularkey sofort den Arm um seine Frau und zog sie zu sich auf den Fernsehsessel.
    Unerwartet durchfuhr Tully ein so schmerzhafter Anflug von Sehnsucht, dass sie sich nicht rühren

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