Immer für dich da (German Edition)
aussteigen?«
Er blickte zu Kate. »Du auch, Kate Mularkey. Die Party ist vorbei.«
Auf der Wache wurden sie als Erstes getrennt.
»Zu dir kommt gleich jemand«, meinte Officer Dan und führte Tully in einen Raum am Ende des Flurs.
Dort gab es nur einen grauen Metalltisch und zwei Stühle, die von einer nackten Glühbirne beleuchtet wurden. Die Wände waren grellgrün und der Boden estrichgrau. Ein deprimierend schaler Geruch hing in der Luft, eine Mischung aus Schweiß, Urin und längst verschüttetem Kaffee.
Die gesamte linke Wand bestand aus einem Spiegel.
Tully hatte oft genug Starsky und Hutch gesehen, um zu wissen, dass es sich dabei um eine Glaswand handelte.
Sie fragte sich, ob auf der anderen Seite jetzt die Sozialarbeiterin stand, enttäuscht den Kopf schüttelte und sagte: »Jetzt will die nette Familie sie nicht mehr.« Oder der Anwalt, der nicht wusste, was er sagen sollte.
Oder die Mularkeys.
Bei diesem Gedanken stöhnte sie entsetzt auf. Wie hatte sie so dumm sein können! Bis zu diesem Abend hatten die Mularkeys sie wirklich gemocht, aber jetzt hatte sie das verwirkt, und wofür? Weil die Abweisung ihrer Mutter sie bedrückt hatte? Dabei hätte sie das doch schon längst gewohnt sein müssen. War es denn jemals anders gewesen?
»Ich werde nie wieder so dumm sein«, erklärte sie und blickte direkt in den Spiegel. »Wenn ich noch eine Chance bekomme, benehme ich mich anständig.«
Danach wartete sie, ob jemand, vielleicht gar mit Handschellen, zu ihr käme, aber die Minuten verstrichen in stickiger Stille. Schließlich schob sie den Plastikstuhl in eine Ecke und setzte sich.
Ich hätte es doch besser wissen müssen.
Sie schloss die Augen und dachte immer wieder diesen Satz, bis sich ein zweiter, wie ein finsterer Zwilling, zu ihm gesellte: Wirst du Kate eine gute Freundin sein?
»Wie konnte ich nur so dumm sein?« Dieses Mal blickte Tully nicht mal mehr zum Spiegel hinüber. Dahinter würde ohnehin niemand stehen. Wer sollte sich denn die Mühe machen, sich jemand so Unerwünschten wie sie anzusehen?
In diesem Moment bewegte sich der Knauf der Tür auf der gegenüberliegenden Seite.
Tully krallte die Finger in ihre Oberschenkel.
Benimm dich anständig, Tully. Stimm allem zu. Eine Pflegefamilie ist besser als der Jugendstrafvollzug.
Die Tür ging auf, und Mrs Mularkey trat ein. Sie trug ein verblichenes Blümchenkleid und abgetragene weiße Sportschuhe und wirkte so müde und zerzaust, als wäre sie mitten in der Nacht geweckt worden und hätte sich so schnell wie möglich fertig gemacht.
Was natürlich der Fall gewesen war.
Mrs Mularkey zündete sich eine Zigarette an. Durch die Schwaden hindurch betrachtete sie Tully, doch genauso sichtbar wie der Rauch war auch die Traurigkeit, die sie verströmte.
Tully wurde von Scham überwältigt. Hier saß einer der wenigen Menschen, die je an sie geglaubt hatten, und sie hatte ihn enttäuscht. »Wie geht es Kate?«
»Bud hat sie heimgebracht. Sie wird wohl eine ganze Weile nicht mehr das Haus verlassen dürfen.«
»Oh.« Tully wand sich unbehaglich auf ihrem Stuhl. Sie war sich sicher, dass Mrs M. jetzt jeden Makel an ihr sehen konnte: die Lügen, die sie erzählt, die Geheimnisse, die sie verschwiegen, die Tränen, die sie vergossen hatte.
Und ganz gewiss gefiel ihr nicht, was sie sah.
Tully konnte es ihr kaum verdenken. »Ich weiß, dass ich Sie enttäuscht habe.«
»Allerdings.« Mrs Mularkey stellte einen Stuhl vor Tully ab. »Man will dich in eine Besserungsanstalt stecken.«
Tully blickte auf ihre Hände, weil sie die Enttäuschung nicht mehr ertrug, die sich auf dem Gesicht von Mrs M. zeigte. »Die Pflegefamilie will mich wohl jetzt nicht mehr.«
»Ich habe gehört, dass deine Mutter das Sorgerecht für dich abgelehnt hat.«
»Das ist ja keine große Überraschung.« Tully hörte, dass ihr die Stimme brach. Sie wusste, dass man ihr anmerkte, wie verletzt sie war, aber sie konnte es einfach nicht verbergen. Nicht vor Mrs M.
»Katie meint, du könntest bei einer anderen Familie leben.«
»Ja, Katie lebt auch in einer anderen Welt als ich.«
Mrs Mularkey lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie sagte leise: »Sie möchte, dass du bei uns lebst.«
Tully blieb die Luft weg. Sie wusste, es würde sie viel Zeit kosten, diese Vorstellung zu verdrängen. »Ja, klar.«
Ein kurzer Moment verstrich, dann sagte Mrs Mularkey: »Ein Mädchen, das in unserem Haus lebt, hätte Pflichten und müsste die Regeln befolgen. Mr Mularkey
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