Immer für dich da (German Edition)
Schweigen. Kate wich Tullys Blick aus und musterte angelegentlich den Tisch. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie so viel Fertiggerichte gesehen. »Wow. Ich wünschte, meine Mutter würde mich so was essen lassen«, sagte sie, hätte es jedoch am liebsten sofort wieder ungeschehen gemacht. Jetzt hatte sie sich als hoffnungslos uncool enttarnt. Um etwas zu tun zu haben – und Tullys nicht zu deutendem Blick auszuweichen –, stellte sie den Auflauf auf die Küchentheke. »Er ist noch heiß«, erklärte sie, albernerweise, da sie ja Backhandschuhe in der Größe von Killerwalen trug.
Tully zündete sich eine Zigarette an und sah Kate an.
Kate warf einen Blick zur Wohnzimmertür. »Hat sie nichts dagegen, wenn du rauchst?«
»Sie ist zu krank, um sich darum zu kümmern.« »Oh.«
»Möchtest du einen Zug?«
»Äh … nein. Danke.«
»Ja. Hatte ich mir schon gedacht.«
Der Zeiger der Wanduhr ruckte klackend ein Stück vor.
»Tja, du musst bestimmt wieder nach Hause, Abend essen«, meinte Tully.
»Oh«, sagte Kate und klang noch dümmlicher als beim ersten Mal. »Genau.«
Tully führte sie zurück durchs Wohnzimmer, wo ihre Mutter jetzt auf dem Sofa lag. »Mach’s gut, Mädchen mit dem coolen Nachbarschaftsbrauch.«
Sie riss die Tür auf. Davor zeichnete sich der anbrechende Abend in Purpurrot ab, das irgendwie zu intensiv war, um noch real zu wirken. »Danke fürs Essen. Ich kann nicht kochen, und Cloud ist zu fertig dafür, wenn du weißt, was ich meine.«
»Cloud?«
»So nennt sich meine Mom zurzeit.« »Oh.«
»Ich fänd’s cool, wenn ich kochen könnte. Oder wenn wir jemanden hätten, der für uns kochte. Wo meine Mom doch Krebs hat.« Tully sah sie an.
Sag, du könntest es ihr beibringen.
Riskier’s.
Aber sie konnte nicht. Die Gefahr einer Demütigung war einfach zu groß. »Tja … Wiedersehen dann.« »Bis später.«
Kate ging an ihr vorbei, hinaus in die Dämmerung. »Hey, wart mal«, rief Tully plötzlich. Kate drehte sich langsam um. »Wie heißt du eigentlich?«
Kate verspürte einen Anflug von Hoffnung. »Kate. Kate Mularkey.«
Tully lachte. »Mularkey? Im Ernst?« Die Witzelei über ihren Nachnamen hatte sie längst satt. Sie seufzte und drehte sich wieder um.
»Tut mir leid, dass ich lachen muss«, meinte Tully, lachte aber weiter.
»Ja, ja. Ist mir egal.« »Gut, dann sei doch sauer.« Kate ging einfach weiter.
Kapitel 4
T ully sah, wie das Mädchen davonging.
»Das hätte ich nicht sagen sollen«, sagte sie und bemerkte, wie dünn ihre Stimme unter dem riesigen sternübersäten Himmelsgewölbe klang.
Sie wusste noch nicht mal, warum sie das gesagt, warum sie plötzlich das Bedürfnis verspürt hatte, sich über das Nachbarsmädchen lustig zu machen. Seufzend ging sie wieder ins Haus. Ihre Mutter lag auf dem Sofa. Aus ihrem Mund lief Speichel.
Und das Nachbarsmädchen hatte es gesehen. Tully spürte eine heiße Welle der Scham. Bestimmt würde am Montag die ganze Schule davon sprechen. Tully Hart hat eine Kifferin zur Mutter.
Deshalb lud sie nie jemanden zu sich nach Hause ein. Wenn man Geheimnisse für sich behalten wollte, tat man’s am besten allein, im Dunkeln.
Sie hätte alles für eine Mom gegeben, die fremden Leuten etwas zu essen kochte. Vielleicht hatte sie sich deshalb über den Namen des Mädchens lustig gemacht. Der Gedanke machte sie wütend, deshalb knallte sie die Tür zu. »Cloud. Wach auf.«
Ihre Mutter holte scharf und röchelnd Luft und setzte sich auf. »Was issen los?«
»Abendessen.«
Ihre Mutter schob sich den Haarwust aus den Augen und schaffte es, sich auf die Wanduhr zu konzentrieren. »Was denn, sind wir – in einem Pflegeheim? Is erst fünf.«
Tully überraschte es, dass ihre Mom wusste, wie spät es war. Sie ging in die Küche, gab den Auflauf auf zwei Teller und kehrte damit ins Wohnzimmer zurück. »Hier.« Sie reichte ihrer Mutter einen Teller und eine Gabel.
»Wo kommt das denn her? Hast du gekocht?«
»Kaum. Die Nachbarin hat’s uns gebracht.«
Cloud sah sich mit trübem Blick um. »Wir haben Nachbarn?«
Tully machte sich erst gar nicht die Mühe zu antworten. Ihre Mutter vergaß ständig, worüber sie gesprochen hatten. Dadurch wurde jedes ernsthafte Gespräch unmöglich, aber das war Tully normalerweise egal – sie wollte genauso wenig mit Cloud reden, wie sie Filme in Schwarzweiß sehen wollte – aber jetzt, nach dem Besuch dieses Mädchens, empfand Tully ihre Andersartigkeit besonders deutlich. Hätte
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