Immer Schön Gierig Bleiben
denken: Was hätte er nicht alles mit ihr machen
können
?« Das letzte Wort sagte Zabriskie so laut, dass Pachulke zusammenzuckte.
»Und jetzt?«, fragte Dorfner. »Ich meine, wenn es kein … kein homosexueller Mitbürger war.«
Zabriskie blies die Backen auf.
»Sind wir uns einig, dass es ein Mann war?«, fragte Pachulke.
Alle nickten.
»Kein Zickenkrieg, keine lodernde Eifersucht«, sagte Zabriskie.
»Keine lesbischen Mitbürgerinnen, die sich in ihrer verdrehten Parallelwelt hoffnungslos ineinander verstrickt haben«, murmelte Dorfner und studierte schnell wieder seine Bauchmuskeln, als er Zabriskies Blick auffing.
»Wir müssen drei Aspekte im Kopf behalten.« Stiesel lag noch immer auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen.
»Drei?«, fragte Bördensen.
»Jeder Mord hat ein eigenes Motiv. Was die Morde angeht, können wir fast so tun, als hätten wir es mit zwei verschiedenen Tätern zu tun.«
»Er hat nicht gemordet, um zu schminken«, sagte Pachulke.
»Genau, das ist sein Bonus, sein Beifang, seine Belohnung an sich selbst.«
»Was wir suchen, ist die Anomalie im täglichen Trott, die Laufmasche im Gewebe der Stadt«, sagte Pachulke. »Eine Anomalie ist, dass die Adomeit Bus gefahren ist. Das hat sie sonst nie gemacht. Sie hatte seit Jahren ein Auto.«
»Ist sie ihrem Mörder im Bus begegnet?«
»Das wäre möglich«, sagte Pachulke. »Deshalb werde ich heute die Linie 104 – die Linie, mit der die Adomeit ins Büro gefahren ist – und die Linie 347, mit der sie von Friedrichshain nach Stralau kam, abfahren. Wenn der Kontakt zum Mörder über den Bus zustande kam, finde ich das heraus.« Er hatte noch ein anderes Vorhaben, aber dass in seinem Büro eine Plastiktüte mit brisantem Inhalt bereitstand, mussten die anderen nicht wissen.
»Ich gehe zu diesem Wohnheim nach Moabit«, sagte Stiesel.
»Sehr gut«, sagte Pachulke. »Dann macht Dorfner die Nachrecherche zum 23. Juni 2001. Dorfner, Sie können den 22. Juni miteinbeziehen, achten Sie auf Partys, Theateraufführungen und andere Veranstaltungen, die Melanie Schwarz aufgesucht haben könnte. Zabriskie, du suchst bitte die Polizeiberichte von diesem Wochenende zusammen. Wir brauchen alles, jedes Detail, jeden häuslichen Streit, jede entlaufene Katze, jeden Blechschaden, jeden Schwarzfahrer zwischen Freitag 22. Juni, 8 Uhr und Sonntag 24. Juni, 22 Uhr. Wir brauchen die Anomalie.«
31
»Tut uns leid, wird sind ausgebucht«, sagte der junge Mann am Tresen.
»Vielen Dank, ich brauche kein Zimmer«, sagte Stiesel. »Ich bin von der Kripo. Vor zwölf Jahren ist ein paar Straßen weiter eine Frau ermordet worden, die hier im Haus gewohnt hat.«
»Kann sein«, sagte der Mann. »Damals war ich in der dritten Klasse der 3. Grundschule in Naumburg. Ich fürchte, ich kann Ihnen da nicht helfen.«
»Was mich interessiert ist Folgendes«, sagte Stiesel. »Ihre Gäste, die Backpacker und Low-Budget-Touristen, die haben ja vermutlich nicht so viel Geld.«
»Tendenziell nein«, sagte der Mann.
»Wo gehen die zum Frühstücken hin?«, fragte Stiesel.
»Man kann hier im Haus frühstücken. Das ist aber eher eine Notversorgung. Instantkaffee aus dem Tütchen, eine Sorte Marmelade, aber die Schrippen sind frisch. Ansonsten gibt es hier in der Gegend einige Bäckereien, die machen um sechs Uhr auf, manche auch um fünf, da gibt’s alles vom Croissant bis zum Bauernfrühstück. Manche essen auch Döner zum Frühstück oder Minipizza.«
In diesem Moment kamen vier Leute mit schweren Rucksäcken durch die Tür.
»Ay mate, have you got a room for us?«, fragte ein rotgesichtiger, untersetzter Mann, der ein weißes Sonnenhütchen trug.
»Sorry, we’re full«, sagte der Mann am Tresen. »But there’s another hostel down this way. The Night & Day.«
»Right, Night & Day. It’s a chain, alright?« Der Besucher wedelte mit dem Reiseführer.
»Yes, a hostel chain. They have six or seven houses all over the city.« Zu Stiesel gewandt sagte er: »Night & Day ist die Konkurrenz, aber nette Konkurrenz. Die haben in den Neunzigern ihr erstes Haus eröffnet. Heute haben Sie in ihren sieben Filialen über sechshundert Betten.«
Stiesel lief einmal um den Block, aber eine Bäckerei oder ein Frühstückscafé fand er nicht. Erst auf der Beusselstraße wurde er fündig.
Hinter dem Tresen werkelte eine Verkäuferin. Sie war schon älter, trug eine Brille und hatte graue Haare. Stiesel wartete, bis sie frei war, und zückte seinen Dienstausweis. »Arbeiten
Weitere Kostenlose Bücher