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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Zabriskie goss sich seufzend ein Glas Wasser ein. Auch gestern auf Tenbrinks Party hatte sie auf Alkohol verzichtet. Es hätte Paschulke gutgetan, wäre er beim Kartoffelsalat ähnlich konsequent geblieben.
    »Also, wir suchen einen Mann, der beide auf dem Kieker hatte. Und der aus unerfindlichen Gründen Spaß daran hat, seine Opfer zu schminken.« Bördensen starrte auf ein kleines Wölkchen, das sich gerade vor die Sonne schob. Stiesel war außer Reichweite.
    »Schminken ist ein gutes Stichwort«, sagte Pachulke. »Wer von euch war schon mal beim Visagisten?«, fragte er.
    Zabriskie hob zögernd die Hand. »Ist schon ’ne Weile her.«
    Stiesel hob die Hand auf seiner Luftmatratze, ohne die Augen zu öffnen.
    Dorfner hüstelte.
    Auch Pachulke hob die Hand. »Letzten Samstag im KaDeWe habe ich mir Schminktipps geben lassen. Ich habe versucht, mich empathisch in die Situation der Opfer einzufühlen. Die haben zwar nichts gespürt, aber ich habe mich ziemlich hilflos gefühlt, vor allem als ich die Lider schließen musste. Es war zwar nur ein weicher Pinsel mit etwas Farbe und Pigmentstaub, aber in dem Moment, in dem ich die Augen schloss, war ich der Schönheitsfachkraft vollkommen ausgeliefert. Sie konnte mir die Augenlider verätzen, mich tätowieren, mir ein Kissen ins Gesicht drücken. Sie konnte alles mit mir machen.«
    »Jetzt wisst ihr, warum ich nicht zum Zahnarzt gehe«, sagte Dorfner.
    »Du bist geschminkt durchs KaDeWe gelaufen?«, fragte Bördensen. »Man entdeckt immer neue Seiten an dir, Pachulke.«
    »Das klingt jetzt dramatischer, als es war. Das Paket hieß
Knusprig und Viril
und beschränkte sich im Wesentlichen auf Ausbesserungsarbeiten.«
    »Du siehst mindestens acht Wochen jünger aus«, sagte Bördensen.
    »Es geht nicht um mich, Bördensen. Was sagt uns das über den Mörder?«
    »Das er es genießt, totale Macht auszuüben«, sagte Dorfner. Er schüttelte den Kopf. »Aber er schlägt seine Opfer nicht zusammen.«
    »Doch, das tut er sehr wohl«, sagte Zabriskie.
    »Ich meine, er schlägt sie nicht zusammen, um Macht auszuüben. Er schlägt sie zusammen, um sich zu rächen, um sie zum Schweigen zu bringen. Und dann …«
    »… lässt er Gnade walten«, ließ sich Stiesel von der Luftmatratze vernehmen. »Er tötet, und hinterher ist er nicht nur großzügig, sondern sogar fürsorglich.«
    »Wenn die Frauen tot sind, fühlt er sich nicht mehr bedroht von ihnen. Er fängt an, sich um sie zu kümmern.«
    »Er möchte als Menschenfreund gesehen werden«, sagte Pachulke. »Er könnte alles mit den Frauen machen, und er entscheidet sich dafür, sie schön zu machen.«
    »Aber nicht bei Verena Adomeit. Die hat er verschminkt.« Zabriskie kraulte den schwarzen Panther auf ihrer Schulter am Bauch. Die Raubkatze lag auf dem Rücken und streckte die Beine von sich.
    »Die hätte er genau richtig geschminkt, wenn sie nicht am Tag vor ihrer Ermordung zum Friseur gegangen wäre«, entgegnete Paschulke.
    Zabriskie hob die Augenbrauen.
    »Ich habe die Farbtöne, die der Mörder aufgetragen hat, mit ihrem Foto im Internet verglichen. Das heißt, ich habe das Foto von Adomeits Website der Kosmetikverkäuferin im KaDeWe vorgelegt, zusammen mit den Farbtönen. Für eine Frau mit brünetten Haaren hätte die Farbkombination gepasst, bei einer Blondine lag er glatt daneben.«
    »So schnell endet die Fürsorge um die Opfer«, sagte Zabriskie.
    »Das ist sekundär«, sagte Bördensen. »Er will vor sich selbst menschlich aussehen, aber er will vor allem eins.«
    »Die Frauen schminken«, sagte Stiesel.
    »Dafür riskiert er sogar, erwischt zu werden, während er sich an der Leiche zu schaffen macht.«
    »Wie lange hat denn dein Paket gedauert, dein
Rüstig und Vital
?«, fragte Bördensen.
    »Knusprig und Viril«
, sagte Pachulke. »Etwa eine halbe Stunde. Aber da war noch eine Stilberatung dabei. Außerdem hat sie mir dauernd erklärt, was sie als Nächstes mit mir vorhat.«
    »Und die eigentliche Schminkerei? Wie lange hattest du die Augen geschlossen? Wie lange warst du einer Frau, die geschätzt dreißig Jahre jünger war als du, vollkommen ausgeliefert?« Bördensen musterte Pachulke.
    Pachulke verzog das Gesicht. »Zwischen fünf und zehn Minuten vielleicht.«
    »Na bitte.« Bördensen nickte. »Mehr brauchte er nicht, um seine Macht auszuüben und dabei das Gefühl zu haben, ein besserer Mensch zu sein.«
    »Und alle, die die Leiche finden oder mit ihr konfrontiert werden – Freunde, Angehörige, wir –,

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