Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
Vom Netzwerk:
bei einer unbekannten Leiche mit Plink über Tierfraßspuren fachsimpeln. Einen weinenden Mann im Vernehmungsraum gegenübersitzen, der im Suff seine Lebensgefährtin erschlagen hatte, nach dem einen Schluck, nach dem einen Streit zu viel. Dafür war er dabei. Die Fälle lösen. Die einfachen und die schwierigen. Auftragskiller, die er weichgekocht, Betrügerinnen, die er getröstet hatte. Er wollte nicht aufsteigen, nicht als Bürokrat enden. Doch jetzt war sein Versteck baufällig geworden und drohte ihm unter den Füßen einzustürzen. Und ein Mörder, der ihm schon mal durch die Lappen gegangen war, war wieder vom Erdboden verschwunden.
    Er holte das Handy von Verena Adomeit heraus. Das Adressenverzeichnis hatte nichts geholfen. Es gab keine unidentifizierten Männer, es gab kein Liebesnest, keine dunkle Seite in diesem Leben. Pachulke zog seine ausgedruckten Notizen hervor. Die Leiche auf dem Friedhof, die Wohnung der Toten, der Pub, das Handy. Das zweite Handy, das billige Zweithandy, das so gar nicht zu diesem sorgfältigen Leben passte. Zu diesem Handy hatte Bördensen lediglich die Rechnung gefunden. Hier stand die Nummer. Pachulke nahm das Smartphone von Verena Adomeit und tippte eine Botschaft ein.
    Wo steckst du denn? Ich war ein paar Tage nicht in der Stadt, aber wir sollten uns treffen. Wann und wo überlasse ich dir. Gruß Verena
.
    Pachulke drückte auf Senden und rührte in seinem Kaffee, obwohl er ihn schwarz trank. Dann summte Verenas Smartphone. Das Billighandy hatte geantwortet. Pachulke las:
Verena ist tot, und Sie werden mich niemals finden
.

34
    Eine tiefe Trauer befiel mich nach dem Tod von Maeve und währte wenigstens drei Stunden.
    Und dann? Dann bin ich Jurist geworden, kein Neonazi. Der Yul-Brynner-Ähnlichkeitswettbewerb hat ohne mich stattgefunden, die Echthaarverlängerung wurde zum Symbol für langfristige Karriereplanung. Gerade weil sich alles immer ändert, muss man planen. Maeves ungeplanter Tod hatte alles verändert. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatte es gleich doppelt zu büßen. Zum einen waren da Schuldgefühle, die erst im Lauf der Zeit allmählich abklangen. Geholfen hat mir da vor allem die Promotion, die ich über Körperverletzung mit Todesfolge verfasst habe. Körperverletzung mit Todesfolge, das klingt schon ganz anders als Mord. Oder Mörder. Kein Mensch sagt: Du bist ein Körperverletzer mit Todesfolge. Ich war ein Opfer der Verhältnisse an jenem Abend, vor allem der Geschlechterverhältnisse. Einmal hingelangt, einmal ausgeholt und dann so etwas. Kippt einfach weg und fällt auf eine Steinkante. Sie hatte das letzte Wort in unserer Beziehung, aber den ersten Schlag hatte ich gehabt. Wäre Maeve nicht durch meine Hand zu Tode gekommen, hätte ich das Studium wahrscheinlich nie zu Ende gebracht. Das hat mir einen Ruck gegeben. Alles hat seine zwei Seiten. Maeve ist tot, ich lebe. Das klingt banal, doch für mich ist es existentiell. Ihr Tod hellt die Studienabbrecherstatistik nur geringfügig auf, aber meinem Leben gab er eine frische, neue Perspektive. Man darf nicht alles schlechtreden.
    Ich war erstaunt, dass ich nicht erwischt wurde. Bestimmt habe ich am Ufer des Teufelssees Spuren hinterlassen, Körperflüssigkeiten, Fasern meiner Kleidung. Gab es keine Zeugen? Hat niemand mich gesehen? Hat es keinen einzigen Menschen interessiert, dass ich in etwas mehr als vierundzwanzig Stunden die große Liebe meines Lebens fand und wieder verlor? Die Leute sind alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Nur die Polizei interessiert sich jetzt für mich, wegen dieser Verena. Ich hätte nicht auf diese SMS antworten dürfen, da war ich zu spontan. Ich habe keine Lust, entdeckt zu werden. So wie es ist, ist es gut. Im Lauf der Jahre wurde es zur Normalität, das Unentdecktbleiben.
    Der Preis dafür ist, dass ich nach dem Scheitern meiner Ehe keine neue Verbindung eingegangen bin. Dem Glück zu zweit habe ich schon lange entsagt. Ich habe entsagt, ich entsage, ich werde entsagen. Das Einzige, was ich mir noch gönne, sind anonyme Geschenke an Frauen, die meine Begeisterung für Sushi teilen. Ich will keinen Dank, ich will auch keine romantische Verbindung. Ich bereite Sushi für mich allein zu, um mich zu entspannen, um zur Ruhe zu kommen. Andere Leute machen Kreuzworträtsel. Aber die Ergebnisse meiner kulinarischen Kreativität kann ich unmöglich alle selbst essen. Deshalb suche ich mir Frauen, die es verdient haben, von mir beschenkt zu werden. Ein

Weitere Kostenlose Bücher