Immer Schön Gierig Bleiben
Fisch sagt mehr als tausend Worte, aber die kleinen Pakete, die ich mit den richtigen Initialen versehen verteile, sollen nicht das Feuer der Leidenschaft entfachen. Sie zeigen meine Zuneigung vollkommen diskret.
Kalte Muschi
ist für mich ein Cocktail mit einem pubertärwitzigen Namen, aber keine erotische Herausforderung mehr. Kein Ort mehr, um die Hände zu wärmen. Kalte Muschi, das soll die Stimmung lockern, das Niveau ins Bodenlose stürzen, zu kühnen Bemerkungen ermuntern, die man sich sonst nicht trauen würde, das Kneipengespräch in Gang bringen. Oder gar einen Flirt:
Kalte Muschi, hey, superlustig
. Und als Nächstes:
Hallo ficken
. Viele halten das für einen Flirt hierzulande. Der Flirt, das unbekannte Wesen. Aber kann man ja lernen. Kann man einen Kurs machen. Man kann für alles einen Kurs machen. Sushi für Anfänger. Flirten für Anfänger. Flirten für Fortgeschrittene. Flirten für frisch Geschiedene.
Noch bin ich nicht geschieden, aber die Frau, die ich geheiratet habe, war nicht die richtige für mich. Die Richtige habe ich ja verletzt, mit Todesfolge. Sie hat mir das Herz gebrochen, ich ihr den Schläfenknochen. Wir sind quitt, sozusagen.
Dass meine Exfrau nicht die Richtige war, das wusste ich sofort. Es war wie ein Kneipenabsturz. Man weiß, man soll nicht trinken, und tut es doch. Man weiß, man soll keinen Kontakt suchen, und tut es doch. Und schon gibt es jemanden, der einen beim Vornamen ruft und dessen Vornamen man sich merken muss, und dann ist man verheiratet und hat ein Kind.
Es ist eigentlich gar nicht so schwer, Frauen zu verstehen. Wenn sie
Vertrauen
sagen, meinen sie Geld, wenn sie
Partnerschaft
sagen, meinen sie Geld. Wenn sie
Liebe
sagen, meinen sie Geld. Oder sie meinen Kinder. Wenn sie
Liebe
sagen, meinen sie manchmal auch Kinder. Also im Grunde noch mehr Geld. Eine Schwangerschaft, das kann eine Frau ganz schön verändern. Man sollte sich niemals über den Kinderwagen einer jungen Mutter beugen und sagen:
Na, das muss ja ein äußerst betrüblicher Zeugungsakt gewesen sein, nach dem, was da drin liegt
. Einmal und nie wieder habe ich mir damit den Mund verbrannt.
Überhaupt wiegt jedes Wort schwer. Jedes Wort kann den Unterschied ausmachen. Zum Beispiel
Filetgrundstück
. Die Leute wissen nicht, wovon sie reden, weil sie noch nie einen Schlachthof von innen gesehen haben.
Filetgrundstück
– was für ein gedankenloses Wort. Ja, die Gedankenlosigkeit ist es wohl, die uns einander das größte Leid zufügen lässt. So viel Gewalttätigkeit in einem Wort. Jeder will Filet, aber keiner mag Haut und Knochen wegschneiden. Alle gehen ins Fischgeschäft, aber niemand will eine Fischfachverkäuferin zur Schwiegertochter.
Man kauft einen Steinbutt, ein Zwei-Kilo-Prachtexemplar für fünfzig Euro, und mein erster Gedanke ist immer: Was könnte man daraus alles machen. Und dann filetiert man ihn, schneidet den Kopf ab und zieht den Eingeweidesack heraus, Herz, Galle, Darm. Die Gallenblase nicht verletzen, sonst wird das Fleisch bitter. Dann macht man einen Einschnitt entlang der Hauptgräte, geht mit einem Wellenschliffmesser unter das Fleisch und schneidet so knapp wie möglich über den Hauptgräten ab. Dann muss man den Bauchlappen wegschneiden. Dazu braucht man ein biegsames Messer, das die leichte Rundung des Filets mit vollziehen kann. Zum Schluss muss man noch die Haut abziehen. Der Steinbutt hat als Plattfisch vier Filets, zwei oben und zwei unten, aber trotzdem, man legt den Abfall auf die Waage und sieht, dass ein Kilo übrig bleibt. Für Fischsuppe ist das eine exzellente Grundlage, wenn man die Knochen vorher wässert. Nur den Kopf darf man nicht mitkochen, weil da das Hirn drin ist. Aber für Sushi sind nur die Filets zu gebrauchen. Das lernt man alles auch in einem Sushi-Kurs, und dort finde ich die passenden Frauen für meine kleinen Aufmerksamkeiten. Ich besuche einen Sushi-Kurs und komme als Letzter. Während die anderen schon in der Küche arbeiten, sehe ich mir in aller Ruhe die Teilnehmerliste durch und notiere die Frauennamen. Ich zahle bar, unterschreibe die Anwesenheitsliste unleserlich und habe ein oder zwei Frauen gefunden. Und die meisten sind Single. Wenn sie allein zu einem Sushi-Kurs gehen, sind sie meistens auch allein.
Und dann liegen sie da, die vier Filets. Und man hat Mühe, die satt zu bekommen, die für den Fisch bezahlt haben. Es ist immer die Frage: Wo den Schnitt machen? Ist man zu großzügig, sinkt sofort die Qualität, ist man zu
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