Immer Schön Gierig Bleiben
Labor.
»Keine Ahnung, ob das Carsten ist. Von mir ist die Krawatte jedenfalls nicht. Er wollte nicht, dass ich ihm Krawatten schenke.«
Zabriskie ging zum Regal und besah sich die kleinen Geschenke, die Carsten Meier seinem Sohn gemacht hatte. Wieder rumorte etwas in ihrem Hinterkopf, aber diesmal war es nicht der Müll aus ihrem Traum. Sie zückte eine große Plastiktüte. »Das müsste alles mit ins Präsidium.«
»Hat Carsten Ärger?« Frau Meier packte den Mercedesstern ein.
Zabriskie packte die Automodelle, die Formel-1-Sammelbilder und die Postkarten dazu. »Schwer zu sagen. Je eher wir Ihren Mann sprechen können, desto besser.«
36
Als Löffelholz am Nachmittag wieder auf seinen Wachposten zurückkehrte, war die Lage unverändert. Auch in seiner Abwesenheit hatte das Handy kein einziges Signal gesendet. Vermutlich hatte der Täter es nach der spontanen SMS an Pachulke schon zerstört oder weggeworfen. Während er wartete, dass das Handy doch noch ansprang, informierte sich Löffelholz per Internet über das Modell. Offenbar war es eine Fehlkonstruktion. Auch wenn man das Gerät abstellte, ging es immer wieder an, es hatte einen Wackelkontakt. Die Rezensionen auf den Bewertungsplattformen waren wenig schmeichelhaft. Wenn sie Glück hatten, schaltete sich das Handy des Täters von selbst an und sie konnten das Signal orten. Dann hatten sie ihn.
Da hatte die preisbewusste Frau Adomeit wohl am falschen Ende gespart. Der Hersteller hatte sogar eine Rückholaktion für dieses Modell gestartet. Die Tote musste eines der letzten Exemplare gekauft haben, das noch im Umlauf gewesen war.
Um kurz nach drei trafen sich Zabriskie, Bördensen und Pachulke vor dem Haus Nestorstraße 17. An der Hauswand hing das Kanzleischild von Carsten Meier. In einer Nebenstraße wartete ein Streifenwagen.
»Seid bitte vorsichtig«, sagte Pachulke. »Carsten Meier hat sehr wahrscheinlich schon zwei Leute auf dem Gewissen.«
»Wenn er eins hat«, sagte Zabriskie.
Sie schlichen mit gezückten Waffen die Steintreppe hinauf, Zabriskie zuerst, dann kam Pachulke. Diese Reihenfolge hatten sie vor Jahren eingeübt, weil es für Pachulke leichter war, an Zabriskie vorbeizuschießen als umgekehrt. Bördensen folgte und sicherte nach hinten. Die uniformierten Beamten sicherten die beiden Ausgänge, hielten sich dabei aber zurück.
Da Dorfner nicht zugegen war, drückte Pachulke die Tür ein. Sie standen in einem penibel aufgeräumten Büro. Carsten Meier hatte offenbar keine Schreibkraft angestellt, sondern erledigte alles allein. Im größten Raum stand am Fenster ein Schreibtisch. Auf einem kleinen Beistelltisch befand sich ein Farblaserdrucker, Computer war keiner da, vermutlich hatte Carsten Meier seinen Laptop immer dabei. An der seitlichen Wand stand ein großes Regal mit Aktenordnern. Die meisten waren nach Adressen sortiert, es gab aber auch zwei, die als Aufschrift
Ärzte
und
Baugutachter
trugen. Eine weitere Reihe Ordner enthielt Gerichtsentscheidungen sortiert nach
Haustiere, Lärm, Gerüche, Illegale Untervermietung
und noch ein paar Themen.
Pachulke überflog die Ordner mit den Adressen: Bei einigen wusste er sofort, um was es sich handelte. Es waren einige der umstrittensten privaten Bauvorhaben der letzten Jahre in der Stadt. Die Presse hatte ausführlich darüber berichtet.
Auf zwei separat stehenden Ordnern stand
Unterhalt Kind
und
Unterhalt Kindsmutter
.
Was in diesem Büro fehlte, waren Kleider, private Dokumente, ein Bett oder Küchenzubehör. In dem kleinen Kühlschrank befand sich eine angebrochene Flasche Orangensaft und eine Dose Studentenfutter. Im Bad lagen eine Zahnbürste, Zahnpasta und ein Deoroller. Ansonsten gab es keine Hinweise darauf, dass sich hier ein Mensch regelmäßig aufhielt.
Pachulke nahm einen Aktenordner aus dem Regal. Ackerstraße 140 stand auf dem Rückenschild. Eine Adresse in Mitte. Er schlug ihn auf. Das erste Blatt war eine Aufstellung:
Aktuelle Rechtsprechung zur Lärmbelästigung durch übertriebene Benutzung von Küchenmaschinen
.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Bördensen, als er und Zabriskie das ganze Büro durchsucht hatten. »Der hat das genauso gemacht wie die Adomeit. Büro hier, Wohnung dort.«
»Aber wir wissen nicht, wo dort ist«, sagte Zabriskie.
»Irgendwo an der Buslinie 104.« Pachulke winkte die beiden ans Fenster. Ein Doppeldeckerbus fuhr gerade an der Nestorstraße vorbei. Bis zu Haltestelle waren es vielleicht hundert Meter. »Hier ist Carsten Meier
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