Immer Schön Gierig Bleiben
Gruppen, davon eine aus der Schweiz und eine aus Österreich.«
»Super, Dorfner, gute Arbeit«, murmelte Zabriskie.
»Also quasi international«, sagte Dorfner.
Zabriskie musste allen Dezernaten in den Hintern treten, damit sie ihre Berichte und Meldungen zu dem Wochenende im Juni 2001 ablieferten. Keiner hatte richtig Zeit oder Lust. Außerdem belastete sie ihr Traum. Je normaler Dorfner wurde, desto schrecklicher wurde der Traum. Vor einer Woche noch hatte Zabriskie Dorfner gemieden, wo immer es ging. Gestern hätte sie ihn beinahe aufgefordert, mit ihr Mittagessen zu gehen. Was kam als Nächstes? Leopardenwindelhöschen? Am Ende waren sie sich nicht einig gewesen, wer den Müll runterbringt.
Den bringst doch du runter. Das Zeug fängt ja schon nach einem Tag dermaßen an zu stinken. Und es wurde immer mehr. Ich ekel mich so vor Fisch. Wir hätten es verschenken können
. Es. Das Fisch. Das Fischfilet. Das Sushi. Zabriskie blätterte in ihren Unterlagen. Die Nummer von der Frau in der Parterrewohnung, Müller hatte sie geheißen. Nein, Meier. Hier war sie schon. Ines Meier. Zabriskie wählte.
»Und dann habe ich eine Liste gemacht mit fünf Spalten«, sagte Dorfner. »Und habe für jede Gruppe die Namen der Leiter und – das ist ganz wichtig – die Namen der Maskenbildner eingetragen, aber nur, wenn sie im Programm standen.«
»Dorfner, das ist brillant«, sagte Zabriskie. »Aber ich habe eine wichtige Zeugin in der Leitung.«
Am anderen Ende der Leitung meldete sich Ines Meier.
»Guten Morgen, Frau Meier, hier Zabriskie von der Kriminalpolizei. Die Hausbefragung, erinnern Sie sich?«
»Ich erinnere mich«, sagte Meier.
»Sie haben mir doch erzählt, Ihr Mann hätte dauernd Abfälle produziert und deswegen den Müll selbst rausgebracht.«
»Ja, das ist richtig.«
»Was hat er denn gekocht? Fischsuppe?«
»Fischsuppe wäre ja noch gegangen. Pausenlos Sushi hat er zubereitet. Wir hatten einen ganzen Kühlschrank voll. Roher Fisch, filetierter Fisch, fertige Sushi, Röllchen, Kissen, alles roh. Es war grauenhaft.«
»Und das hat er alles gegessen?«
»Das ist es ja. Er hat es nur zubereitet. Das entspannt ihn, hat er gesagt.«
»Und dann?«
»Erst hat er es verschenkt. Einmal hat er für alle Kinder im Kindergarten Sushi mitgebracht. Roher Fisch und Algen. Die Kinder haben geweint, als sie den rohen Fisch sahen.« Ines Meier lachte kurz auf.
»Und als keiner das Sushi wollte?«
»Hat er es so lange aufgehoben, bis es schlecht wurde. Ich hatte im letzten Jahr meiner Ehe jeden Tag verdorbenen Fisch in der Wohnung. Jeden Tag.«
»Gibt es Dinge Ihres Mannes, die noch bei Ihnen sind. Oder ein Foto von ihm?«
»Nur die Sachen, die er unserem Sohn geschenkt hat, Krimskrams. Den Kühlschrank hat er zum Glück mitgenommen. Und ein Foto, ja, eins von den frühen ist hier bestimmt noch irgendwo.«
»Ich würde mir das gerne für ein, zwei Tage ausleihen«, sagte Zabriskie. »Darf ich bald vorbeikommen?«
»Von mir aus können Sie gleich kommen. Ich bin zu Hause.«
Eine halbe Stunde später stand Zabriskie im Wohnzimmer von Ines Meier.
»Ist denn etwas passiert?« Ines Meier schob Kinderkleidung beiseite, um einen Sitzplatz für Zabriskie zu organisieren.
Das war eine knifflige Frage. Meier schien ihrem Mann nicht mehr besonders nahezustehen. Aber wenn sie erfuhr, dass er unter Mordverdacht stand, kam sie vielleicht auf die Idee, ihn zu warnen.
»Wir würden Ihren Mann gerne einmal zu seinen Sushi-Kenntnissen befragen. Könnte sein, dass er uns weiterhelfen kann. Wissen Sie, wo er ist?«
»Ich habe von ihm nur die Kanzleiadresse.«
»Er ist Rechtsanwalt?«, fragte Zabriskie.
»Eine Art Berater im Immobilienbereich. Entwickler nennt er sich. Carsten Meier in der Nestorstraße 17, Wilmersdorf, Nähe Ku’damm.«
»Und Ihr Sohn? Wo treffen sie sich, wenn er seinen Vater besucht?«
»Das tut er nicht. Sie haben sich seit der Trennung nicht gesehen.«
»Die Sachen im Regal, die sind von Ihrem Mann?«
»Ja, das ist von ihm. Am Anfang hat er regelmäßig Postkarten geschrieben, aber das ist weniger geworden«, sagte Frau Meier. »Hier ist ein Foto von ihm.«
Ein junger Mann im T-Shirt und Jeans, der schulterlange Haare hatte. Er lächelte leicht schmallippig. Das Foto war in der prallen Sonne an einem Strand aufgenommen worden. Zabriskie konnte nicht erkennen, ob das der Mann im Sakko und mit Krawatte gewesen sein könnte. Trotzdem zeigte sie Frau Meier das Bild ohne Gesicht aus Haeckels
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