Immer Schön Gierig Bleiben
Zabriskie breitete die Zeitung aus und strich sie glatt. Im Sport fand sie nichts, im Lokalteil auch nicht. Bei den Immobilien wurde sie fündig:
3-Zi-Whg mit ausgebautem, trockenen Keller in der Albrechtstraße in Tempelhof
. Diese Anzeige hatte Dorfner markiert. Genauso wie,
1,5-Zi-Whg Seitenflügel Hochparterre Nähe S-Bahnhof Neukölln
. Zabriskie blinzelte.
2-Zi-Whg
stand in der Anzeige für die Wohnung in Tempelhof. Sie hatte sich verlesen.
Dorfner suchte eine Wohnung. Wahrscheinlich hatte er es sich in seiner Lichtenberger Plattenburg mit allen Nachbarn verscherzt. Zabriskie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand mit Dorfner einen Mietvertrag abschloss. Wie hatte er überhaupt seine jetzige Wohnung gefunden? Da musste er sich ja völlig am Riemen gerissen haben. Es sei denn, der Vermieter war ähnlich gestrickt wie Dorfner. Dann hatten sie sich bestimmt viel zu erzählen. Dorfner suchte eine Wohnung. Wie geil war das denn?
Zabriskie musste in diesem Leben nie mehr eine Wohnung suchen. Sie hatte den nettesten Vermieter der Welt. Dorfners Suchbemühungen würde sie aus der VIP-Loge beobachten. Sie faltete die Zeitung zusammen, legte sie zurück an ihren Platz und setzte sich betont beiläufig an ihren Schreibtisch.
Als Dorfner zurückkehrte, warf er einen langen Blick auf die Zeitung und einen noch längeren auf Zabriskie. Schließlich packte er die Zeitung in seinen Rucksack, klemmte sich den Stapel kackbrauner Hängemappen unter den Arm, die er heute durchgearbeitet hatte, nahm seinen Helm, murmelte einen Abschiedsgruß und ging.
7
Ich mag es nicht, wenn man mich beim Essen stört. Eben noch saß ich in meinem Lieblingsrestaurant, um mich nach einem langen und anspruchsvollen Arbeitstag zu entspannen, und im nächsten Moment hat mich der Übereifer einiger Ermittler in eine vollkommen unvorteilhafte Situation gebracht. Was für ein schreckliches Missverständnis. Ich habe niemanden ermordet, doch jetzt sitze ich ratlos und mit Unrat besudelt hier anstatt auf meinem Lieblingsplatz. Selbst diese schwierigen Rahmenbedingungen sollen mich nicht daran hindern, ein Haiku zu verfassen.
Reis im Algenblatt
Sashimi Ikura Ei
So gut schmeckt Sushi
Ein gutes Sushi-Restaurant ist eine Oase in der kulinarischen Wüste, die die meisten Städte nach wie vor darstellen, wenn es um asiatische Küche geht. Ich bevorzuge das Rolling Sushi, weil es diese tiefe philosophische Dimension besitzt. Beim Rolling Sushi gibt es ganz unterschiedliche Typen. So, wie man sitzt, lebt man auch. Die einen setzen sich in die Mitte, weil sie gern Gesellschaft haben und links und rechts mit den Leuten ins Gespräch kommen wollen. Hier sammeln sich die schlechten Amateurköche, die gern ihr Halbwissen präsentieren. Die Leute, die im mittleren Bereich eines Rolling Sushi sitzen, sind laut und primitiv und auf Äußerlichkeiten bedacht. Wenn ich einen Marketingexperten suchen müsste, würde ich ihn immer in der Mitte eines Rolling Sushi suchen, nie am Ende. Denn am Ende sitzen die, die alles in aller Ruhe auf sich zukommen lassen, auch das Sushi. Wenn der Teller das erste Mal in der Ferne auftaucht, rätseln sie, was es sein könnte, was da auf sie zuschwebt. Jede Kurve, die das Tellerchen erfolgreich hinter sich gebracht hat, lässt ihre Vorfreude wachsen. Wenn das Schälchen endlich in ihre Reichweite kommt, haben sie zugleich eine Lektion in Demut bekommen. Sie mussten sich in Geduld üben, und wie leicht hätte jemand anderes die Speise ergattern können, die sie sich jetzt aussuchen können. Wobei, eigentlich wurden ihnen die Teller, die es bis zum Ende schaffen, zugewiesen. Die Leute, die am Ende sitzen, sind bescheiden und wenig zielstrebig. Sie erreichen nicht wirklich etwas im Leben. Meine Exfrau gehört in diese Gruppe.
Wir haben uns bei einem Sushi-Kochkurs kennengelernt. Und dann sind wir essen gegangen, in ein Rolling Sushi. Und gleich zog sie mich an das Ende des Förderbands, weil es da
gemütlich
war. Wer geht zum Rolling Sushi, weil es da gemütlich ist? Wer gemütlich will, soll Pizza essen gehen. Ich sagte ihr, dass ich gern am Anfang des Förderbandes sitze. Darauf schlug sie vor, in der Mitte zu sitzen. Sie hielt das für einen Kompromiss. Egal, sie kann ja nichts dafür. Jetzt kann sie wieder am Ende sitzen und
gemütlich
darauf warten, dass sie das abbekommt, was das Leben übrig lässt für sie. Bei mir war sie am Ende gänzlich unbescheiden. Hat mir alles genommen, vor allem meinen geliebten Sohn hat sie
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