Immer Schön Gierig Bleiben
Drohbriefe, Irish Pub
. Er trug vor: »Bisher können wir nicht sicher sagen, ob der Mord an Verena Adomeit ein berufliches oder ein privates Motiv hat. Im ersten Fall wäre aufgrund der Drohbriefe, die wir in der Wohnung gefunden haben, auch ein politischer Hintergrund denkbar.« Er steckte die Kappe auf den Whiteboard-Marker und legte ihn beiseite.
Pachulke wusste, dass Bördensen nach Hause wollte zu seiner Familie. Aber es war Stiesels erster Tag nach dem Urlaub. Und Pachulke plante, Dorfner allmählich seiner Quarantäne im Büro zu entwöhnen. Eine Lagebesprechung war unverzichtbar geworden.
»Das waren diese Linken aus Friedrichshain«, sagte Dorfner und knetete seine Unterlippe. Seine andere Hand ruhte auf seinen Oberschenkeln und hielt eine Ausgabe
Legal Torture
. Die Wahrheit tut weh,
truth hurts
, versprach diese US-amerikanische Publikation ihren Lesern. Es ging in dem Magazin immer nur um das eine: zeitgemäße Vernehmungsmethoden. Angeblich hatte sich Dorfner schon einmal bei der Guantánamo International Summer School beworben, war aber abgelehnt worden, weil sein Exposé zu brutal gewesen war. Zumindest hatte Zabriskie das Pachulke erzählt.
»Adomeit hatte Probleme mit einigen von ihren auswärtigen Mandanten«, sagte Bördensen. »Die von ihr vermittelten Objekte waren nicht lukrativ genug. Der entlegene Fundort spricht aber dagegen, dass die Tat von jemandem ohne Ortskenntnisse verübt wurde.«
»Hat Löffelholz das Handy schon geknackt?«, fragte Zabriskie.
»Da kommt er erst morgen dazu. Er muss den Tatortbericht schreiben und die gesamte Handtasche inventarisieren«, sagte Pachulke.
»Was sagt Tenbrink?«, fragte Stiesel. Er hatte seine Beine auf einem Stuhl abgelegt und ein Plastikbrett auf dem Schoß, auf dem viele eierschalenfarbene Klebezettel mit rotem Logo befestigt waren. Pachulke wusste nicht, was er von Stiesels Zettelwirtschaft halten sollte. Er fand sie altmodisch, obwohl er selbst mit Software, die Mindmapping ermöglichen sollte, nicht umgehen konnte. Bei einem weniger systematisch arbeitenden Kollegen hätte diese Zettelwirtschaft vermutlich im Desaster geendet. Aber weil Stiesel selten etwas verbockte und seine Ergebnisse auch auf den Computer übertrug, sprach nichts dagegen.
»Tenbrink schließt ein Sexualverbrechen aus. Den Bericht gibt es morgen.« Zabriskie saß neben der Tür, so weit weg von Dorfner wie möglich.
Bördensen klopfte mit dem Knöchel auf das Whiteboard. »Dieser Irish Pub – The Harp – verweist vielleicht auf Adomeits Privatleben. Es ist möglich, dass sie ihren Mörder dort kennengelernt hat, obwohl sie kein besonders geselliger Mensch war.«
»Wäre es möglich, dass der Pub die beiden Ansätze verbindet?«, fragte Pachulke. »Ein englischsprachiger Klient von Adomeit, mit dem sie sich im Pub trifft?« Er rührte seinen Kaffee um, obwohl er weder Zucker noch Milch nahm.
»Wäre möglich«, sagte Bördensen. »Aber den Pub schaue ich mir so oder so persönlich an.«
Stiesel wandte sich an Dorfner. »Ich glaube nicht, dass Stadtteilaktivisten eine Maklerin töten, schon gar nicht erwürgen. Buttersäure, Scheiben einwerfen, bedrohen ja, aber kein Mord.«
Pachulke nickte. »Trotzdem wäre es wichtig, den Absender dieser Briefe zu finden. Sie sind sehr geschickt formuliert, strafrechtlich kommt man da vermutlich nicht ran. Außerdem müssen wir nach Stralau und eine Hausbefragung durchführen. Der Tod ist eingetreten, als es noch hell war. Da war halb Stralau noch auf den Beinen. Irgendjemand muss etwas gesehen haben.«
Pachulke zückte ein Blatt Papier: »Das ist das Foto der Toten von der Website. Zeigt es bitte den Anwohnern.«
»Aber auf dem Foto ist sie brünett«, sagte Zabriskie.
»Wir haben kein anderes Bild. Die Leute sollen sich die Haare blond vorstellen.«
»Die Hausbefragung mache ich«, sagte Bördensen.
Pachulke nickte. Bördensen war am liebsten draußen unterwegs und vermied jede Art von Büroarbeit. Ein Grund, warum auf seinem Schreibtisch nie Platz war.
»Ich komme mit«, sagte Zabriskie. »Hausbefragungen alleine sind ätzend.«
»Ich könnte auch Leute befragen in Stralau«, sagte Dorfner.
»Dorfner, du hilfst mir, mehr über diese Drohbriefe herauszufinden«, sagte Stiesel.
Typisch Stiesel
, dachte Pachulke. Seine Spezialität war die Aktenfresserei. Anders als Bördensen, Zabriskie und Dorfner, die Papierkram vermieden, soweit es möglich war, rieb sich Stiesel die Hände, wenn ihm jemand einen Packen Akten zur
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