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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Fäuste.
    »Seit wann? Keine Ahnung, seit wann. Seit gestern nehme ich an.«
    »Du hast eine Woche, Vater. In einer Woche ist der Spuk hier endgültig vorbei.«

11
    Pachulke saß am Steuer, Plink neben ihm. Sie hatte den Sitz so weit wie möglich nach hinten geschoben und ihre Beine ausgestreckt.
So könnten wir auch zusammen in den Urlaub fahren, nach Dresden in die Semperoper
. Er warf einen Blick auf Plinks schlanke Beine. Sie trug Röhrenjeans und feste Halbschuhe. Natürlich hätte er, Pachulke, dann einen Smoking dabei, und sie, Plink, er verbesserte sich, Engine natürlich, ein zauberhaftes Abendkleid. Und bevor sie sich in ihrem Hotel mit Blick auf die Frauenkirche ankleideten, würde sie ihn von hinten umarmen und ihm ins Ohr flüstern:
Etwas Zeit haben wir noch. Du weißt doch, dass es etwas gibt, was ich noch mehr mag als Verdi-Opern
.
    »Stopp!«, schrie die reale Plink auf dem Beifahrersitz.
    Pachulke trat auf die Bremse. Die Reifen quietschten, der Wagen brach für einen Moment aus, dann hatte er ihn wieder unter Kontrolle. Beinahe hätte er eine rote Ampel übersehen und wäre ungebremst in die Elsenstraße hineingefahren. Dort rauschte der Verkehr auf sechs Spuren vorbei.
    Ein Radfahrer hatte sich auf den Bürgersteig gerettet und drohte Pachulke mit der Faust.
    »Was war das denn?«
    »Ich bin ganz in Gedanken an diese Frau.«
    Plink runzelte die Stirn. Pachulke hatte das Gefühl, dass sie wusste, wenn er log.
    »Sie meinen diese tote Frau, die vorgestern entdeckt wurde.«
    Pachulke starrte geradeaus aus dem Fenster, wo gerade ein Bus der Linie 104 vorbeifuhr.
    Plink insistierte: »Verena Adomeit, für die wir jetzt den Tatort suchen wollen?«
    »Oh, schon grün.« Pachulke legte knirschend den Gang ein. Er bog nach links ab, fuhr über die Elsenbrücke und dann rechts ab nach Stralau. »Ganz recht, ganz recht«, sagte er schnell. »Diese rothaarige Frau geht mir durch den Kopf.«
    »Sie hat blondgefärbte Haare«, sagte Plink.
    »Ja, genau, blond, das wollte ich damit sagen.«
    Plink sah aus dem Fenster und schüttelte den Kopf.
    Wenig später standen sie am Fundort der Leiche. Plink blätterte in ihren Aufzeichnungen. »Die Pflanze, die wir suchen, heißt Diptam. So sieht sie aus.« Sie zückte zwei laminierte Fotos von der Größe einer Postkarte und reichte eines an Pachulke weiter. »Sechzig bis hundert Zentimeter hoch, gefiederte Blätter, hellblaue oder rosa Blüten, von denen es mehrere an einer Pflanze gibt. Wenn man die Pflanze umknickt, sondert sie einen sehr stark riechenden Saft ab, der eine zitronige, frische Note hat. Wie ein Erfrischungstüchlein. Der Diptam hat einen fettigen, klebrigen Pollen. Den haben wir an ihrer Feinstrumpfhose gefunden. Die Tote ist umgekippt, als sie bewusstlos wurde. Dort wo sie mit dem Täter stand, muss sich ein Diptam befinden. Die gute Nachricht ist: Diptam ist sehr selten in unseren Breiten. Wenn wir ihn finden, haben wir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den Tatort.« Sie beschrieb mit ihren Händen eine Bewegung wie beim Brustschwimmen. »Wir teilen uns jetzt auf und suchen den Friedhof ab. Ich fange am Wasser an, Sie an der Friedhofsmauer. Am Ende treffen wir uns wieder hier.«
    Pachulke nickte. »Und wenn wir den Diptam haben, suchen wir nach Spuren eines Kampfes.«
    »Aber nicht nur das. Das wird eine klassische Tatortuntersuchung. Mit allen Schikanen«, sagte Plink.
    Pachulke lief zur Friedhofsmauer und besah sich jede Pflanze mit Argusaugen. Beim Grabschmuck dominierten die klassischen Schnittblumen in Vasen, die man mit einem Stachel in die Erde stecken konnte. Unter den großen, alten Bäumen befanden sich zwei Platanen, die so aussahen, als seien sie von der Puschkinallee, wo die Bäume mit der gefleckten Rinde die Straße säumten, mal eben ausgebüchst, weil es hier am Wasser schöner war. Der Friedhof war schön: Roter und Weißer Fingerhut blühte, beide tödlich giftig für Menschen, und deshalb, so vermutete Pachulke, unter Naturschutz. Löwenzahn, Vergissmeinnicht und Butterblumen wuchsen auf der Wiese, und an der Friedhofsmauer standen ein paar Rosenbüsche. Die Blüten waren kräuselig. Die Grabsteine waren klein und zierlich, so wie für Kinder oder auf einem Tierfriedhof. Über dem Wasser schien die Sonne, und der Geruch, der von der Treptower Halde herüberzog, hielt sich in Grenzen.
    Auf einer Bank saßen ein alter Mann und eine alte Frau. Er hatte die Hände flach auf seine Oberschenkel gelegt, ihre rechte Hand ruhte auf seiner

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