Immer Schön Gierig Bleiben
und als sie mitten im Gespräch waren, hat er den Weg zum Tatort gewählt.«
»Und weil der Trampelpfad am Wasser entlangführt und er pausenlos auf sie eingeredet hat, ist sie vollkommen vertrauensvoll mitgegangen.«
»Er hat ihr eine Falle gestellt«, sagte Pachulke. »Und er hat genau gewusst, was er tat. Er hat die beiden Nischen gefunden, die er brauchte.«
»Wieso zwei Nischen?«
»Ort und Zeit. Ein Platz, der nicht einsehbar ist, an dem er sie ermorden kann. Und das kleine Zeitfenster nach dem letzten Bus, wenn die Zahl der Leute, die sich draußen aufhalten, stark absinkt. Als er und Verena sich trafen, war hier so gut wie kein Mensch unterwegs. Für etwa dreißig Minuten war es hier völlig ruhig, obwohl es erst früher Abend war.«
Plink nickte. Sie zog den Latexhandschuh aus. »Das bedeutet, der Täter hatte exakte Ortskenntnisse. Er hat das hier entweder sehr genau ausgekundschaftet. Oder er wohnt hier.«
Handys knacken war eine Art Sport für Löffelholz. Er genoss es, wenn Plink ihm diese Aufgabe anvertraute, die ihr zu kompliziert oder zu langweilig war. Auch mit dem Handy von Verena Adomeit hatte er keine große Mühe gehabt.
Zuerst ging Löffelholz in den Kalender, um zu sehen, was die Tote als Letztes terminiert hatte. Am Dienstagabend hatte sie von sechzehn bis siebzehn Uhr einen Termin eingetragen.
O’Reilly, Simplonstraße 27
. Die Postleitzahl war 10245. Das war ein Termin, aber nicht in Stralau, sondern in Friedrichshain. Friendly Fucking Friedrichshain.
Am Montag hatte Verena Adomeit einen Termin beim Friseur gehabt. Vermutlich war sie dort Stammkundin, denn eine Adresse stand nicht im Kalender, nur:
16 Uhr, Friseur
.
In diesem Moment machte es ping, und eine kleine Sprechblase leuchtete auf dem Display auf. Eine SMS. Löffelholz suchte den SMS-Bereich und las:
Adomeit, du Miststück. Verpiss dich aus unserem Kiez, sonst machen wir dich fertig. Die Häuser gehören denen, die sie bewohnen
.
Löffelholz scrollte nach unten. Die nächste Botschaft war auf Englisch:
Fine, see you Tuesday at 4. Richard
. Danach kam eine Nachricht von einer Frau, die als Pia Umbreit verzeichnet war.
Jefferson hat leider abgelehnt. Er will warten, wie die Wahlen ausgehen. Lass uns am Donnerstag telefonieren. Pia
. Dann kam wieder eine unfreundliche SMS.
Adomeit du Drecksstück. Wir wissen, wo du wohnst und wo du deine Geschäftchen machst. Wenn du weiter zu uns kommst, werden wir dich erledigen
.
Löffelholz runzelte die Stirn. Wenn die beiden Hassbotschaften in unterschiedlichen Threads waren, dann waren es unterschiedliche Handys. Er besah sich die zweite Botschaft. Sie war sieben Tage alt und die letzte in einer Serie von sieben. Alle enthielten Schimpfwörter und waren in einem diffusen Wir formuliert. Er scrollte nach oben und ging in den ersten Thread. Er hatte vor sechs Tagen begonnen. Alle ein bis zwei Tage eine Botschaft, alle fünf bis sechs Tage ein neues Handy. Wahrscheinlich gestohlen. Nicht jeder ging wegen eines gestohlenen Handys zur Polizei. Aber die Tote schien belastbar gewesen zu sein. Löffelholz wusste nicht, wie er reagiert hätte, wenn mehr als die Hälfte seiner SMS aus Beschimpfungen und Drohungen bestanden hätte. Das Smartphone war das wichtigste Arbeitsinstrument von Verena Adomeit gewesen. Sie war die meiste Zeit des Tages in der Stadt unterwegs und musste erreichbar sein. Ein dankbares Ziel für pausenlosen Psychoterror. Aber wer auf diese Art drohte, war eher feige. Erst recht zu feige für einen Mord?
12
Zabriskie hatte die Arschkarte gezogen. Jahrelang war ihr gemeingefährlicher Kollege Dorfner zum Innendienst verdonnert worden, und alles war unter Kontrolle gewesen. Dorfner hatte seine Kollegen genervt und vor das Rätsel gestellt, wie so jemand überhaupt Polizeibeamter hatte werden können. Er saß die meiste Zeit am Schreibtisch und sortierte Spesenbelege. Oder er bekam einen Stapel alter Akten auf den Tisch gelegt, um die Doppel auszusortieren. Weil er sehr viel allein in der Baracke saß, fand er Zeit, Leserbriefe für
Legal Torture
zu verfassen. Einmal wurde einer abgedruckt. Unter der Überschrift »Zeitnahes Geständnis mit Hilfe von zwei Kugelschreibern und einem Hefter« hatte er es geschafft, dass seine persönliche Schreibtischphantasie gedruckt worden war. Zabriskie und Pachulke bekamen in den Wochen danach in der Kantine regelmäßig Heftklammern von den Kollegen überreicht, meistens in Geschenkpapier verpackt und dem Hinweis:
Für das zeitnahe
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