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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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seinem Blickfeld verschwunden. Der kleine Pfad, auf dem Pachulke stand, hatte eine Biege gemacht. Er stand inmitten von mehreren Gewächsen, vollkommen blickdicht für alle anderen, die in der Gegend unterwegs waren. Zur Straße hin schirmten ihn zwei große Rhododendronbüsche ab. Er konnte keines der geparkten Autos sehen. Richtung Laubenkolonie wedelten die Blätter dreier junger Ahornbäume in der leichten Brise, die den Dunst der Müllkippe unablässig über den Fluss trug. Zur Spree hin wuchs ein übermannshoher Busch, den Pachulke nicht kannte, der in den öffentlichen Parks aber überall zu finden war. Zum Friedhof hin stand ein Schneeballstrauch mit vollen weißen Blüten. Pachulke drehte sich einmal um die eigene Achse. Er war von Pflanzen umgeben. Er rief nach Plink. Mehrfach musste er sie rufen, weil sie ihn nicht sehen konnte. Schließlich entdeckte sie ihn und kam herbei.
    »Vollkommen blickdicht«, sagte Pachulke. »Es ist helllichter Tag, aber niemand, kein Angler, kein Autofahrer, kein Hundebesitzer kann Sie hier sehen.«
    Plink schüttelte den Kopf. »Ich sehe das Fenster einer Laube und ein Gartentor auf dieser Achse«, sie deutete über Pachulkes Schulter, »und auf der Spree sehe ich ein Ruderboot.« Sie deutete nach links.
    »Sie müssen näher zu mir. Kommen Sie.« Pachulke zog sie an den Händen zu sich heran. Ihre Haut war warm. Sie trug immer noch den Latexhandschuh. Pachulke konnte ihr Parfüm riechen. Zwei kleine Schweißperlen hatten sich auf ihrer Oberlippe gebildet. »Hier, genau hier.« Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. Jetzt kam die erste Reihe der Grabsteine wieder in sein Blickfeld.
    Plink drehte sich einmal um die eigene Achse. Diesmal nickte sie. »Perfekter Sichtschutz genau an dieser Stelle.«
    »Und trotzdem«, sagte Pachulke.
    »Trotz was?«, fragte Plink.
    »Trotzdem er diesen perfekten Ort für den Mord gefunden hat, geht er das Risiko ein und schleppt die Leiche auf den Friedhof. Warum?«
    »Um sie zu schminken«, sagte Plink.
    »Genau«, sagte Pachulke. »Um die Tote zu schminken. Kommt Ihnen das bekannt vor?«
    Plink schüttelte den Kopf. »Nein, eine post mortem geschminkte Leiche habe ich noch nie erlebt.«
    »Irgendwo habe ich davon schon einmal gelesen«, sagte Pachulke. »Es ist schon eine Weile her. Die Erinnerung lässt sich nicht zwingen. Bleiben wir im Hier und Jetzt.«
    Plink sah auf die Erde und schüttelte den Kopf. »Hier wächst kein Diptam.«
    Pachulke zückte das Foto der Pflanze und spähte umher. Plink hatte recht.
    »Moment mal«, sagte Plink. Sie legte Pachulke die Hand auf die Schulter und schob ihn etwas zur Seite. »Hier.« Sie deutete auf ein kleines Loch im Boden. »Hier hat man eine Pflanze ausgegraben.«
    »Sie meinen, der Mörder hat die Pflanze beseitigt.«
    »Nein, Diptam ist sehr selten und steht unter Naturschutz. Ein Spaziergänger hat sie ausgegraben und nach Hause in den Garten mitgenommen.« Sie bückte sich, und ihr roter Haarschopf bewegte sich in der Höhe von Pachulkes Bauchnabel. Schließlich stand sie wieder auf. Sie hielt einige Blättchen in der Latexhand und zerrieb sie zwischen den Fingern. »Riechen Sie.«
    Pachulke schloss die Augen und schnupperte.
    Auch Plink roch an den Pflanzenteilen. Beide nickten. »Vanille und Zitrone«, sagte Plink.
    »Der Diptam war hier«, sagte Pachulke. »Hier ist es passiert.« Er bückte sich rasch. Als er sich wieder aufrichtete, folgte sein Blick Plinks Beinen, die sich direkt vor seiner Nase befanden. Er zeigte Plink eine kleine rosa Blüte. »Diptam?«, fragte er.
    Sie lächelte kurz und nickte.
    Rücken an Rücken untersuchten sie den Boden. Pachulke fand einen kleinen Ast und hob damit die breiteren Blätter nach oben. Schließlich wurde er fündig. Unter einem Platanenblatt lag eine Kontaktlinse. Pachulke holte eine Plastiktüte aus der Hosentasche, und Plink hob die Kontaktlinse mit ihrer Latexhand auf. Sie hielt sie gegen das Licht. Das kleine Plastikstück leuchtete auf wie ein Edelstein. »Aber wo ist die zweite?«, fragte sie.
    Sie suchten weiter, und als sie müde wurden, rief Plink bei Kümmerle an, der sich diesen Bereich noch einmal vornehmen sollte.
    Pachulke und Plink liefen den kleinen Pfad weiter bis zum Wasser. Sie gingen am Ufer entlang, bis der Pfad auf den Bürgersteig mündete und bogen nach links ab. Hinter einer Kurve war die Bushaltestelle Friedrich-Junge-Straße.
    »Hier ist sie ausgestiegen«, sagte Pachulke. »Sie sind am Wasser entlang spaziert,

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