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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Geständnis
. Dorfner war begeistert gewesen. »Meine publizistische Arbeit richtet sich gegen Denkverbote. Wenn meine Thesen im Kollegenkreis ein breites Echo finden, kann mir das nur recht sein.« Die Allgemeinheit war von Dorfners körperbetonten Vernehmungsmethoden weitgehend verschont geblieben. Immerhin.
    Bis eines Tages Dorfner am Nebentisch in der Kantine ein Gespräch mitgehört hatte. »Das lasse ich mir nicht länger bieten«, hatte eine Frau gesagt. »Na, dann geh doch zur Gewerkschaft«, hatte eine andere geantwortet. Zabriskie war dabei, und als sie sah, dass Dorfner sich das Wort
Gewerkschaft
sofort auf eine Serviette schrieb, ahnte sie nichts Gutes. Zwei Wochen später – Dorfner brachte gerade eine Sendung Akten ins Archiv – teilte Pachulke den Kollegen mit, dass der Kollege Dorfner laut eines Schreibens des GdP-Vertreters Anspruch auf »eine abwechslungsreiche und nicht nur vorwiegend sitzende Tätigkeit« habe, um chronische Alterserkrankungen zu vermeiden und die sündhaft teure Ausbildung zu rechtfertigen. Außerdem diene seine Arbeit auch der Selbstverwirklichung.
    »Dorfner nimmt teil am Programm Betreutes Vernehmen unter Aufsicht, und du, Kollegin Zabriskie, bist die Betreuerin«, sagte Pachulke. »Du kennst ihn am besten, und durch eure gegensätzlichen Charaktere und unterschiedlichen Stärken ergänzt ihr euch hervorragend.«
    Zabriskie hatte eine Woche lang nicht mit Pachulke geredet, aber seitdem hatte Dorfner mindestens einmal in der Woche Ausgang, und sie begleitete ihn auf Schritt und Tritt. Diesmal führte sie der Weg zu den Aktivisten von Antigen, der Friedrichshainer Initiative gegen Gentrifizierung.
    Das Büro von Antigen war in der Revaler Straße. Als sie dort aus dem Auto stiegen – Zabriskie fuhr, diese Sicherheitsmaßnahme hatte sie Pachulke abgerungen –, sagte sie zu Dorfner: »Auch ein Mensch, der politische Interessen verfolgt, hat einen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Vergiss das nicht.«
    Dorfner bog die Finger durch, dass die Gelenke knackten. »Schau dir diesen Müll doch mal an, Zabriskie.« Sein Arm beschrieb einen Halbkreis über das weitläufige Areal des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks, das an der Revaler Straße lag. »Baufällige Ruinen, Sperrmüll und Drogen an jeder Ecke.«
    »Du meinst, Club-Mate ist eine Droge?«, fragte Zabriskie, als ein Mann mit einem Knebelbärtchen und einer Adidas-Umhängetasche an ihnen vorbeischlurfte. In der Hand hielt er eine Flasche des Matetrunks, von dem sich der halbe Bezirk ernährte.
    »Es kommt immer drauf an, was die da reingemischt haben. Die schlucken alles, rund um die Uhr«, sagte Dorfner.
    Sie hatten das RAW-Gelände betreten und kamen an zwei altertümlichen Flachbauten vorbei, aus denen es dröhnte und schepperte.
Indoor-Skatehalle
stand auf einem Schild über der Tür.
    »Was hast du denn gegen Skateboarden?«, fragte Zabriskie.
    »Waterboarden wäre mir lieber«, sagte Dorfner.
    Zwei Frauen drehten sich um und starrten sie an, als sie das hörten.
    »Sag mal, schreibst du gerade wieder an einem Leserbrief?«, fragte Zabriskie.
    »Woher weißt du …? Hast du meine Sachen durchschnüffelt?«
    »Nein, aber wenn du dieses Schmuddelblatt offen rumliegen lässt.«
    »Du nennst es Schmuddelblatt, die Kollegen nennen es:
Doing the dirty work
. Die Arbeit, die keiner machen will und die doch getan werden muss.«
    »Aber du weißt schon, dass Forced Yoga Folter ist. Eine der vielen Umschreibungen für Folter.«
    »Wir reden hier über eine rechtliche Grauzone.«
    »Eine Grauzone? Du meinst wohl eine Zone des Grauens, Dorfner«, sagte Zabriskie.
    »Forced Yoga ist keine Folter. Das ist eine unverlangt erbrachte, gesundheitspolitische Dienstleistung. Dazu gibt es sogar Gerichtsentscheidungen des Supreme Court.«
    »Des Supreme Court?«
    »Ja, des Supreme Court des Sudan.«
    »Was ist das für ein blödsinniger Gerichtshof?«
    »Vorsicht Zabriskie, mehr Respekt für die Judikative bitte.«
    »Für unsere Judikative. Der Supreme Court des Sudan hat hier keine Jurisdiktion.«
    »Weil die Rechtsprechung hierzulande im eigenen Saft kocht. Es ist eurozentristisch, den Supreme Court von Sudan einfach beiseite zu schieben.« Dorfner gestikulierte wild. »Alles wäre einfacher, wenn wir als Vernehmer gerichtliche Feststellungsbeschlüsse hinsichtlich unserer Vernehmungsmethoden initiieren könnten. Aber wir sind darauf angewiesen, dass jemand vor Gericht geht. Und es sind immer die Querulanten, die vor Gericht

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