Immer Schön Gierig Bleiben
ihre Stimme zu legen. Von Frau zu Frau. Von Wohnungssuchender zu Maklerin.
»Sie nicht?« Die Maklerin sah Zabriskie in die Augen.
Zabriskie stand auf Ausdauer, Knackärsche und noch zwei, drei andere Sachen, die sie hier jetzt nicht erörtern wollte. »Doch, natürlich. Dorfner hat einen süßen
rectus femoris
«, sagte sie schnell. Lügen, betrügen, morden, hatte sie sich vorgenommen, und schon war sie mitten drin.
»Wie bitte?« Die Maklerin lächelte nicht mehr verschwörerisch. »Rectus was, sagen Sie?«
»Der vordere Oberschenkelmuskel«, sagte Zabriskie. Das hatte sie von Tenbrink gelernt.
Sie gingen zurück nach oben. Zabriskie verstand nicht, warum sie so wütend auf Dorfner war. Es war klar, dass er hier auftauchen würde, er hatte sich den Termin im Immobilienteil angekreuzt. Aber trotzdem kam er ihr wie ein Eindringling vor.
»Wenn Sie wollen, haben Sie die Wohnung«, sagte die Maklerin, als sie vor dem Haus auf dem Bürgersteig standen, und ihr Kollege nickte zum Abschied.
Dorfner und Zabriskie starrten sich an.
»Wieso suchst du überhaupt eine Wohnung?«, fragte Zabriskie.
»Fristlos gekündigt«, sagte Dorfner schmallippig. »Die wollen nicht, dass ich Hanteltraining mache.«
»Gewichte stemmen in einer Etagenwohnung, auf so einen Blödsinn kannst auch nur du kommen. Und hier hättest du einen Folterkeller ganz für dich allein.«
»Bootcamp, es ist mein Bootcamp. Aber wieso kreuzt du ausgerechnet hier auf? Ich denke, du hast so einen supernetten Vermieter, und alles ist nett, und du schreibst ihm Weihnachtskarten und tralala.«
Zabriskie sah zu Boden. »Bin auch gekündigt worden. Eigenbedarf, aber nicht sofort, erst in sechs Monaten. Er hat eine erwachsene Tochter.«
Ein Geistesblitz zuckte über Dorfners Gesicht. »Könnte ich bei dir vielleicht … nur kurz.«
»Völlig ausgeschlossen, dass du auch nur einen Fuß in meine Wohnung setzt.«
»Ich verstehe, die Anwesenheit eines Mannes könnte die lesbische Nestwärme zerstören.«
»Die was? Dorfner, ich bin nicht lesbisch. Ich bin weniger lesbisch, als du schwul bist. Ich habe bloß an dir, an dir ganz persönlich, kein Interesse. Du bist ein wandelnder Alptraum.«
»Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so weit kommen würde zwischen uns beiden.«
»Ich hätte nie gedacht, dass du noch wirrer daherreden könntest als sonst.«
»Du hast meinen Schreibtisch durchwühlt, gib es zu. Sonst wärst du gar nicht erst hier aufgekreuzt.«
Touché
, dachte Zabriskie. Dorfner war gar nicht so blöd, wie er aussah. Obwohl, sah er blöd aus? Er war stockblöd, das war das Problem, da konnten auch die kleine Kerbe im Kinn und die tatsächlich nicht übel geformten Beine nichts daran ändern.
»Ja, das habe ich, tut mir leid.« Zabriskie tat es nicht die Bohne leid, aber sie wollte hier weg. »Weil Pachulke mir deine Bewachung aufs Auge gedrückt hat. Du liest sonst nie Zeitung. Ich dachte, du führst auf eigene Faust Ermittlungen durch.«
»Du darfst das Kreuzworträtsel in
Legal Torture
lösen, wenn wir zusammenwohnen. Das mache ich nie«, sagte Dorfner. »Dein Englisch ist viel besser als meins.«
»Dorfner, nun denk doch mal nach. Wenn wir zusammen wohnen, gäbe es nach vierundzwanzig Stunden zwei Tote.«
»Ich brauche ein Fitnessstudio, Zabriskie.«
»Aber nicht mit mir.« Sie sah an der Hausfassade hoch. »Außerdem hat mir die Einbauküche nicht gefallen. Und der Balkon war zu klein.«
»Es kommt nicht auf die Größe an.«
»Beim Balkon schon.«
In dem kleinen Reihenhaus in Rudow lag immer noch ein Berg Zeitungen im Zimmer, aber die Mäuse tanzten nicht auf dem Tisch und über den Boden huschten sie auch nicht mehr.
»Ist das alles?«, fragte Victor Sherman seinen Vater.
Vincent zuckte mit den Schultern. »Man kann ein ganzes Leben nicht so schnell auflösen. Ich habe in der Küche angefangen, weil ihr alles habt, was ihr braucht in eurem Haushalt.«
Auf dem Küchentisch standen drei Kartons. Victor warf einen Blick hinein: Teller, Tassen, Untertassen, Gläser, alles in Zeitungspapier verpackt und den Karton mit Zeitungspapier ausgestopft. »Wieso hast du das denn verpackt? Das nimmst du doch gerade nicht mit.« Victor wollte seinem Vater keine Vorschriften machen, aber er hatte das Gefühl, dass er alles in die Hand und deshalb seinem Vater aus den Händen nehmen musste, sollte es kein schlimmes Ende mit diesem Hausstand nehmen.
Vincent drehte Däumchen, ein Zeichen dafür, dass ihm etwas peinlich war. »Ich dachte, wir
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