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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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können das vielleicht an Oxfam oder Humana geben. Die Sachen sind doch noch völlig in Ordnung. Ich mag es nicht, Sachen wegzuwerfen.«
    »Ja, ich weiß«, seufzte Victor.
    »Ich meine Sachen, die noch in Ordnung sind.«
    »Ich verstehe dich ja, Vater, aber wir haben für Feinheiten keine Zeit. Wir können nicht deinen ganzen Hausrat zu Oxfam geben.«
    »Natürlich nicht alles.« Vincent hob die Hand. Die Geste war halbbeschwörend, halbbeschützend. »Ich werde einiges mitnehmen.«
    »Was denn?«, fragte Victor.
    »Die gerahmten Werbeplakate. Den Chevy, den Rolls, den Ford Mustang und die anderen.«
    »Hm«, sagte Victor. Die Werbeplakate waren tatsächlich mit das Beste, was sein Vater aus den frühen Jahren von Vincent’s Vintage Cars aufgehoben hatte. Jetzt hieß der Laden Victor’s Vintage Cars, und Victor verdächtigte seinen Vater, bei der Wahl des Vornamens für ihn die innerbetriebliche Nachfolgeregelung im Blick gehabt zu haben. »Wie viele sind das denn?«
    »Insgesamt zehn: Die Corvette, der Mercedes 230 SL Roadster …«
    »Okay, okay, die kommen mit, die hängen wir in den neuen Showroom.« Victor’s Vintage Cars befand sich seit sechs Jahren am Spandauer Damm. Das Grundstück hatten sie schon ein paar Jahre früher in weiser Voraussicht gekauft. Als die offenen Vermögensfragen gerichtlich endgültig geklärt waren, mussten sie ihren alten Standort, ein unbebautes Grundstück in der Oranienburger Straße, aufgeben. Letzten Winter hatten sie am Spandauer Damm einen neuen Showroom eröffnet, speziell für Autos aus der Zeit vor 1970. Da würden die großen Poster gut hineinpassen.
    »Danke, Victor.«
    Dass sein Vater sich bedankte, war sehr zwiespältig für Victor. Er hatte sich sein ganzes Leben nicht bedankt, bei niemandem, und jetzt stand das kleine Wort
Danke
für die zunehmende Hinfälligkeit und Wehrlosigkeit des Alten. Gleichzeitig ging es Victor runter wie Öl, dass ihn der Alte endlich ernst nehmen musste.
    »Gerne Vater, aber das Geschirr und die Töpfe, die kommen, so wie sie sind, zur Müllhostess.«
    »Ich gehe nicht zur Müllhostess.« Vincent setzte sich kerzengerade. »Ich bin nicht zweiundachtzig Jahre alt geworden, um mich in aller Öffentlichkeit zur Sau machen zu lassen.«
    Das war ein typischer Spruch seines Vaters. Sein Alter als Ultima Ratio:
Ich bin nicht
zweiundachtzig
Jahre alt geworden, damit mir so ein Typ zwischen den Beinen rumfummelt
, wenn er nicht zum Urologen wollte.
Ich bin nicht
zweiundachtzig
Jahre alt geworden, damit ich nicht mehr essen kann, was ich will
, wenn er seinen immensen Konsum an Süßigkeiten reduzieren sollte. Heute war es die Müllhostess. Aber diesmal, fand Victor, hatte sein Vater recht. »Was ist mit deinen CDs?«, fragte er. »Können die weg?«
    »Die hat mir Valentin alle überspielt«, sagte Vincent. Valentin war sein siebzehnjähriger Enkel, die beiden waren richtig dick miteinander. »Valentin meint, bei Ebay …«
    »Ja, und wer soll die denn alle zum Verkauf einstellen? Valentin macht Abitur dieses Jahr.«
    »Na gut, dann kommen die auch weg«, sagte Vincent.
    »Hast du auch noch Videos? Ich meine, alte Videokassetten?«
    »Videofilme und DVDs und außerdem die ganzen CDs vom alten Gelände.«
    Victor schüttelte den Kopf. »Du hast die alten CDs von unserer Überwachungskamera aufgehoben? Warum in aller Welt.«
    »Victor, dieser Laden war mein Leben. Und auf den Kameras ist alles aufgezeichnet. Ich kann mich an alles erinnern, wenn ich die Autos Nacht für Nacht bei uns auf dem alten Gelände stehen sehe. Ich erinnere mich an jeden Wagen. Ich weiß, von wem ich ihn gekauft und an wen ich ihn weiterverkauft habe. Ich weiß, wie es sich anfühlte, den ersten Rolls Royce Silver Shadow in meinem Leben zu fahren. Dreihundert Stunden Arbeit habe ich in den reingesteckt.« Vincent schüttelte den Kopf. »Hast du mal gesehen, was für eine Scheiße im Fernsehen läuft. Für dich sind auf diesen CDs Stunden, in denen nichts passiert. Ich sehe alle meine Autos noch einmal.«
    »Kann denn wenigstens der ganze Technikkram weg draußen im Gang? Die Toaster und Kassettenrekorder und die Kamera?«
    »Die Kamera funktioniert einwandfrei, man müsste sie nur …«
    »Sie kann weg?«
    Vincent seufzte. »Ja, sie kann weg.«

23
    Die Dinge und die Menschen. Die Dinge kann man kaufen, aber wenn die Menschen nicht machen, was man will, was dann? Mir hilft da oft die Demut, die Situation so zu nehmen, wie sie ist. Auch jetzt, mitten im Unrat, reicht das, was

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