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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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Schokoplätzchen
gegessen habe und es auch noch nicht Mittag ist.
    Bei warmem Wetter stehen auch Tische
draußen, und wir haben äußerst warmes Wetter. Ich kann kaum glauben, wie heiß
es ist, und ich verstehe überhaupt nicht, warum manche Leute bei dem Schmutz
und Straßenlärm draußen sitzen wollen, wenn man es doch drinnen,
vollklimatisiert und in relativer Ruhe, viel besser aushalten kann.
    Peter Cecchi sitzt an einem Tisch in
der Nähe des Fensters. Ich ziehe einen Stuhl zurück und setze mich zu ihm. Wir
begrüßen uns, und er winkt eine Kellnerin herbei.
    Cecchi sieht toll aus. Er ist knapp
1,80 m groß, hat korinthenfarbenes Haar mit weißen Strähnen genau an den
richtigen Stellen. Zu seinem kantigen Gesicht gehören eine ausgeprägte Nase und
traurige braune Augen, die Dinge gesehen haben, die kein menschliches Wesen
jemals zu sehen bekommen sollte. Cecchi kleidet sich sehr elegant. Er trägt
einen teuren grauen Anzug und ein blaßrosa Hemd mit einer gestreiften
Seidenkrawatte.
    Ich mag Cecchi aus vielerlei Gründen:
Es kümmert ihn nicht, daß ich lesbisch bin; er ist Italo-Amerikaner mit
derselben Herkunft wie ich (keine Mafia; keine Unterhemden am Tisch); und er
will mich nicht jedesmal verhaften, wenn ein Verbrechen geschieht. Cecchi ist
sich seiner Geschlechtsidentität und seiner Fähigkeiten sicher, und ich stelle
in keiner Weise eine Bedrohung für ihn dar. Seine Frau Annette, die Assistentin
eines Broadway-Produzenten, ist ebenfalls eine gute Freundin von uns. Sie haben
aus freiem Entschluß auf Kinder verzichtet.
    Die Kellnerin, die ihr teerschwarzes
Haar in einem Stil trägt, der in die Vierziger gehört, stellt einen Cappuccino
und ein Stück von der Moussetorte vor mich hin. Ich sehe Cecchi an, der
lächelt.
    »Ich habe im voraus bestellt«, sagt er
stolz.
    Ich strecke den Arm aus und tippe auf
meine Uhr.
    »Ein paar Minuten früher, na und?«
erwidert er, denn er kennt meine Mittagsregel.
    »Es sind mehr als ein paar Minuten.«
    »Na schön, fünfundvierzig Minuten, wer
achtet da schon so genau drauf?«
    »Kip-«
    »Du meinst, wenn du diesen Kuchen
mittags ißt, treibt er deinen Cholesterinwert weniger in die Höhe, als wenn du
ihn jetzt ißt?«
    Cecchi ist solch ein vernünftiger Mann.
Und ich habe natürlich keine andere Wahl, da ich ja auf keinen Fall seine
Gefühle verletzen will. »Danke«, sage ich und lange gleich zu.
    Er räuspert sich zweimal und preßt die
Lippen aufeinander, dann sagt er: »Habe ich dir gesagt, wie sehr mir das mit Meg
leid tut? Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist.«
    Ich weiß, daß er es sich vorstellen
kann; er hat Freunde und Partner verloren. Ich quittiere sein Mitgefühl mit
einem Nicken.
    »Also hast du ihre Kinder besucht«,
stellt er fest.
    Ich berichte ihm von den Treffen sowohl
mit Sasha als auch mit Blythe und schildere noch das Fiasko des heutigen
Morgens. Er schreibt Lightbournes Namen in sein Notizbuch und teilt mir mit,
daß er und sein Partner, Meyers, Blythe gegen vier Uhr an diesem Morgen befragt
haben.
    »Sie wirkte ziemlich ausgebrannt, als
ich bei ihr war«, sagt er, »aber sie hat erwähnt, daß sie dich heute morgen
treffen wollte. Also, was denkst du, wieso hat sie den Termin nicht ausgemacht
und wieso hat sie nicht bei dir abgesagt?«
    »Keine Ahnung. Und ich mache mir
Sorgen. Sie war zwar immer schon verzogen und eine Nervensäge, aber doch
zuverlässig. Als sie jünger war, hatte es manchmal den Anschein, als manage sie
die Familie, als passe sie auf Meg und Sasha auf. Deshalb sieht ihr das heute
gar nicht ähnlich.«
    Cecchi blättert einige Seiten in seinem
Notizbuch um. »Sie arbeitet für Nichols and Thompson, eine Werbeagentur auf der
Fifth und Thirty-eight. Meinst du, sie ist dort?«
    »Würde sie an dem Tag nach der
Ermordung ihrer Mutter zur Arbeit gehen?«
    »Du kennst sie besser als ich.« Er
schaut mich über den Rand seiner Tasse hinweg an.
    »Hast du Kleingeld und die
Telefonnummer?« frage ich.
    Er gibt mir beides.
    »Nichols and Thompson«, verkündet eine
Frauenstimme. Ich frage mich, wann wohl endlich Männer in großen Firmen den
Telefondienst machen werden.
    »Blythe Benning, bitte.«
    »Tut mir leid, Ms. Benning ist heute
nicht im Hause.«
    »Danke«, sage ich und lege auf. Während
ich noch am Telefon stehe, fällt mir ein, daß ich es meiner Mutter noch nicht
gesagt habe. Meg war wie eine zweite Tochter für sie. Ich weiß es, weil sie es
mir oft genug gesagt, uns immerzu verglichen hat. Es war ein Wunder,

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