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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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»Sie empfangen sie?«
Sie legt den Hörer wieder auf die Gabel. »Er empfängt Sie«, sagt sie mit
widerwilligem Respekt. »Seine Sekretärin kommt gleich raus.«
    »Vielen Dank«, sage ich, als hätte ich
ihr Verhalten nicht bemerkt. Ich habe das Gefühl, das ist die beste Rache.
    Etwa nach einer Minute erscheint eine
große Frau in einem Gewand ähnlich einer Piano-Schutzhülle im Warteraum und
stellt sich mir als Romona Verona vor, dabei fordert sie mich mit ihren dunklen
Augen heraus, einen Kommentar dazu abzugeben. Ich unterlasse es.
    »Ich bin seine Sekretärin«, sagt sie,
als beziehe sie sich auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten.
    Ich folge ihr durch einen mit dickem
Teppichboden ausgelegten Flur zur dritten Tür links. Romona Verona klopft
einmal, öffnet die Tür und kündigt mich an: »Ms. Laurano.«
    »Vielen Dank, Romona.« Nick, der hinter
einem riesigen Walnußschreibtisch sitzt, steht auf und geht um den Tisch herum,
um mich zu begrüßen. Er streckt beide Arme aus, mit der Absicht, mir eine
tödliche Umarmung zu verpassen. Es gibt keine Möglichkeit, es zu verhindern.
    Ich höre zwar nicht direkt die Knochen
splittern, bilde es mir jedoch ein. Als er mich losläßt, sehe ich, daß seine
Augen rotgerändert sind, als könnten jeden Augenblick die Tränen fließen. »Es
ist furchtbar«, sagt er gedrückt, »einfach furchtbar.« Er schlägt mir dreimal
auf den Rücken, Klapse, die wohl eigentlich ermutigend wirken sollten, aber in
Wahrheit nur ausdrücken, wie ungewohnt es für ihn ist, Zärtlichkeit zu zeigen.
Mir fällt ein, daß dies eine von Megs ständigen Klagen über ihn war.
    Er führt mich zu einem blauen Sessel
vor seinem Schreibtisch, drückt mich hinein und geht wieder zu seinem Stuhl,
legt die Hände unter dem Kinn aneinander und versucht in meinen Augen
auszusehen wie das Blumenkind, das er früher einmal war.
    Als er schließlich spricht, versetzt es
mir einen Schock. »Ich muß dir leider sagen, Lauren, ich bin nicht überrascht,
daß Meg ermordet wurde. Nicht im mindesten überrascht.«

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     Mein erster Impuls ist, aufzustehen und hinauszugehen.
Nicks Andeutung läuft sicher darauf hinaus, daß Megan ihre Ermordung selbst
provoziert hat. Ich weiß nicht, ob ich heute noch eine weitere Ernüchterung
verkraften kann. Noch während ich dies überlege, erinnere ich mich an Megs
Charakterisierungen von Nick. Sie hatte im Laufe ihrer siebenjährigen Ehe
genügend Zeit, die richtigen Worte zu finden: kalt, berechnend,
verantwortungslos.
    »Warum sagst du das, Nick?« frage ich
und umklammere die Walnußlehnen meines Sessels.
    »Ich weiß, du glaubst, du hast sie
gekannt, aber das stimmt nicht. Nicht wirklich. Sie zeigte dir nur eine Seite
ihres Wesens. Nur eine.« Er öffnet ein silbernes Kästchen auf seinem
Schreibtisch, nimmt eine Zigarette heraus. »Du rauchst nicht, richtig?«
    »Richtig.« Ich weiß, daß Meg viele
Seiten hatte, wie jeder Mensch. Und ich habe einige davon zu Gesicht bekommen.
    Nick fährt sich mit einer Hand, von der
Stirn aus, durch sein hellbraunes Haar. Ich stelle fest, daß man ihn nur
schwerlich als blond bezeichnen könnte. Dennoch.
    »Was meinst du damit, sie zeigte mir
nur eine Seite ihres Wesens?«
    Auf seinem attraktiven zerfurchten
Gesicht spiegelt s ich meine Frage, als sei er ein Kandidat bei einem
Quiz. »Ach, Lauren.« Er schüttelt den Kopf. »Die Frau war ein Ungeheuer.«
    Ich bin wütend und führe seine
Anschuldigung auf die Tatsache zurück, daß Meg ihn fallenließ. So viele Jahre
sind seitdem vergangen, und er ist immer noch voller Groll. Obgleich ich weiß,
daß, was er sagt, voreingenommen ist, beeinflußt von einer ganzen Palette an
Gefühlen, will ich noch nicht gehen.
    »Das ist nicht gerade eine
Beschuldigung der harmlosen Sorte«, sage ich ruhig.
    »Mag wohl sein. Vergessen wir nicht, du
hast nie mit ihr zusammengelebt.«
    »Und du lebtest vor sehr langer Zeit
mit ihr.«
    »Zumindest habe ich mich immer
um meine Kinder gekümmert«, kontert er, um das letzte Wort zu behalten.
    Nick bekam dreimal eine gerichtliche
Vorladung, weil er den Kindern keine finanzielle Unterstützung zukommen ließ,
und besuchte Blythe und Sasha fast nie. Und worauf will er eigentlich hinaus?
frage ich mich.
    Er bläst einen Rauchschleier in die
Luft zwischen uns und sagt: »Es ist eigentlich ganz einfach, Lauren. Meg war
ein Miststück.«
    »Das sagt mir nichts.« Ich bin wütend,
daß dieser Mann, dem Meg vor mehr als

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