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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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ist, daß es so weit kommen wird.
    Als William weggeht, starrt Cecchi mich
an.
    »Was ist?« frage ich.
    »Ich komme nicht darüber hinweg, daß du
mich so angelogen hast.«
    Ich zucke mit den Schultern. »Er hat
mich überrumpelt. Und er ist mein Freund.«
    »Was bin ich denn, gehackter
Knoblauch?«
    »Das ist etwas anderes.«
    »Weil er schwul ist?«
    »Natürlich nicht«, antworte ich
ärgerlich. Aber ich frage
mich kurz, ob es nicht doch stimmt. Ich kenne die beiden Männer etwa gleich
lang. Auch wenn Kip und ich oft den Abend mit Cecchi und Annette verbringen,
die uns immer behandeln, als wären wir einfach ein verheiratetes Paar wie sie, ist da ein Unterschied. Bei den Cecchis ist mir immer bewußt, daß sie mich
akzeptieren, als sei es eine Gefälligkeit, und bei Rick und William denke ich
nie darüber nach, weil ich es nicht zu tun brauche. Ein feiner Unterschied,
aber ein Unterschied.
    »Geh nicht gleich in die Luft, Lauren.
Es war nur ein Gedanke.«
    »Tut mir leid.« Es tut mir wirklich
leid. Es ist nicht seine Schuld, er ist ein Produkt seiner Kultur, und er gibt
sich weiß Gott Mühe, ebenso in Frauensachen, und das ist mehr, als man über die
meisten Männer sagen kann, ob hetero oder schwul.
    Cecchi kratzt den Rest seines Rühreis
vom Teller und schiebt es sich dann in den Mund. Sein Blick ist traurig, und
ich kann nur hoffen, daß ich ihn nicht verletzt habe.
    »Ich hätte dasselbe getan, wenn es
umgekehrt gewesen wäre«, sage ich.
    Er nickt, doch ich weiß nicht, ob er
mir glaubt. Ich weiß nicht mal, ob ich mir glaube.
    »Die Leiche wird heute nachmittag
freigegeben«, sagt er plötzlich.
    Leiche. Das überrumpelt mich. Es ist Megs
Leiche, die Cecchi meint, und ich bin noch nicht soweit, sie als Leiche
anzusehen.
    »Du hast die Vorkehrungen getroffen?«
    »Nein.« Ich erinnere ihn, daß Blythe
nicht aufgetaucht ist.
    »Also wo soll sie hin?«
    Sie, die Leiche. Ich will Cecchi schon bitten, nicht
mehr so von Meg zu sprechen, doch dann halte ich mich im Zaum. Ich darf keinen
ängstlichen Eindruck machen, sonst hört er vielleicht noch auf, mich ins
Vertrauen zu ziehen. Das eigentliche Problem ist doch die Antwort auf die
Frage: Wo soll sie hin?
    »Ich werde mich dann wohl mal besser
bei Lorenzo’s darum kümmern«, sage ich. Ich trinke etwas von dem kalten Kaffee.
    »Tut mir leid, daß es an dir
hängenbleibt.«
    »Wir müssen Blythe finden«, sage ich.
    »Das haben wir schon erledigt.«
    »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
frage ich bestürzt.
    Er zuckt mit den Schultern. »Ich sag’s
dir ja jetzt.«
    Mir wird nun einiges klar. Er wußte,
daß William und ich gelogen haben, und wollte mir solange nichts mehr über den
Fall erzählen, bis ich ihm die Wahrheit sage. Wer könnte ihm deshalb einen
Vorwurf machen? Ich gebe mir Mühe, nicht verletzt zu sein. »Wo war sie?«
    »Sie war bei einer Freundin zu Hause.«
    Klingt logisch. Dennoch, w 7 arum
hat sie mich im Bestattungsinstitut versetzt? Ich muß mit Blythe reden.
    »Sie ist heute zur Arbeit gegangen.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Und ihre Story hat sich bestätigen
lassen. Am Abend des Mordes war sie mit ihrem Vater zusammen.«
    »Bis um elf«, sage ich.
    »Ja, bis elf. Wieso?«
    Offensichtlich hat Cecchi mir vieles
nicht erzählt. Es fällt mir schwer, mich nicht gekränkt zu fühlen, auch wenn
ich ihn belogen habe und seinen Entschluß, mir keine näheren Informationen mehr
zu geben, vermutlich verdient habe.
    »Danach war sie mit jemand anders
zusammen«, erkläre ich.
    »Na und?«
    »Ich dachte nur, du solltest es
wissen.«
    Er lächelt. »Versuchst du gutzumachen,
daß du mir das mit William nicht gesagt hast?«
    »Scheint so.« An dieser Stelle fällt
mir ein, daß ich Cecchi auch berichten könnte, daß Meg eventuell nicht der
Mensch war, für den wir sie alle hielten. Doch es kommt mir wie Verrat vor,
unbewiesene Dinge zu wiederholen, und dieser Fall ist schon durch mehr Verrat
als genug entstellt. Wie dem auch sei, Thema Nr. 1 muß ich auf jeden Fall
erwähnen.
    »Willst du heißen Kaffee?« fragt er.
    Ich nicke, und er gibt Ruby, unserer Kellnerin,
ein Zeichen.
    Sie kommt mit der Glaskanne zum Tisch,
als sei diese eine Verlängerung ihrer Hand. »Na, wer will?«
    »Beide.«
    »Bist du an einem großen Fall, Cecchi?«
fragt sie.
    »Ich bin immer an einem großen Fall.«
    Ruby ist die sprichwörtliche reife New
Yorker Kellnerin: Augen, die nichts mehr in Erstaunen versetzen kann, ein
dicker, viereckiger Körper, und Haar, mit so viel

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