Immer wenn er mich berührte
verlieren, ich muß in deiner Nähe sein, ich muß Macht über dich bekommen, deine Schritte lenken können …
Ich war zu feige, dich in den Fluß zu stoßen. Ich hatte selbst Todesangst. Ich hasse dich, aber ich bin nicht zum Mörder geboren. Trotzdem mußt du verschwinden …
Nur deshalb war ich so charmant, verstehst du? Nur deshalb habe ich auf Liebe gemacht. Denn du mußt Vertrauen zu mir bekommen, grenzenloses Vertrauen, wie es nur die Liebe ermöglicht.
»Du fährst zu schnell«, mahnte Janine.
»Nein«, lächelte er.
Ich weiß, dachte er, daß du verliebt bist in mich. Ich kenne dich ja. Das erstemal hat es genauso angefangen – und vor dem Traualtar geendet. Das zweitemal wird es anders enden.
Wenn Gaby aus Paris zurückkommt, legen wir den Hochzeitstermin fest. Du siehst, meine Zeit ist knapp.
Jürgen vergaß, daß er sich nicht auf einer Vorfahrtsstraße befand. Schräg von rechts rasten zwei Scheinwerfer auf ihn zu.
Janine schrie.
Jürgen bremste, riß gleichzeitig das Steuer nach links. Der Wagen schleuderte, Glas splitterte, Blechteile wirbelten durch die Luft.
Stille danach.
Jürgen blutete nur an der Hand. Er riß die Tür auf und sprang hinaus. Der Kühler des anderen Wagens war zusammengeschoben. Es sah böse aus, aber zum Glück stand der Fahrer auch schon auf den Beinen. Sein Gesicht war leichenblaß. Sonst schien er unverletzt zu sein.
»Sie sind schuld«, stammelte der Mann, »Sie sind wie ein Verrückter gefahren …«
»Haben Sie sich verletzt?« fragte Jürgen.
»Ich glaube nicht.«
»Das ist das wichtigste, Mann«, stieß Jürgen erregt hervor. Er packte ihn an der Schulter. »Alles andere regeln wir. Ich verspreche Ihnen, Sie bekommen ein neues Auto von mir.«
Beinahe hätte er Janine vergessen. Er drehte sich um, wollte zum Wagen zurück. Aber da stand sie schon vor ihm.
Er wollte fragen, ob sie verletzt sei. Aber das Wort blieb ihm im Hals stecken. Sie sah ihn an, daß er am liebsten in den Erdboden verschwunden wäre. Sie sah aus, als wüßte sie plötzlich alles.
Durch einen Schock kann man sein Gedächtnis verlieren. Und durch einen Schock kann man es wiedergewinnen.
Das war so klar wie zweimal zwei vier ist.
»Was siehst du mich so an?« fragte Jürgen totenblaß. Und er dachte: Nun sprich es schon aus, Janine, sprich die vernichtenden Worte …
Aus, dachte er. Alles riskiert, alles verloren. In ihre blauen Augen mußte er sehen, wenn sie ihm eröffnete: Jürgen, mir ist mein Leben wieder eingefallen. Ich weiß, wer ich bin, ich weiß, wer du bist …
Kälte kroch ihm den Rücken herauf. Die Angst griff mit schwerer Hand nach ihm. Daß er sie für tot gehalten hatte, daß er sie begraben hatte, das konnte er ihr noch erklären. Aber wie sollte er ihr erklären, warum er sich nicht zu erkennen gegeben hatte, warum er sie beobachtet, verfolgt und schließlich sogar eingeladen hatte, obwohl er doch mit einem einzigen Wort aus einer Blinden eine Sehende hätte machen können …
»Jürgen«, sagte Janine statt dessen, »du bist ja verletzt, deine Hand ist voll Blut …« Ihr erschrockenes Gesicht verriet ihm mehr als ihre Worte, daß er sich umsonst Sorgen gemacht hatte.
Erleichtert atmete er auf. Nein, das Wunder war nicht eingetreten. Der Schock hatte ihr das Gedächtnis nicht zurückgegeben. Alles blieb beim alten …
Ein müdes Lächeln schenkte er ihr dafür. »Nicht schlimm«, winkte er ab, »nur ein paar Kratzer.« Er hatte Glück gehabt. Das bißchen Blut, das ihm aus dem Hemdärmel tropfte, war der ganze Grund für ihre Aufregung.
Trotzdem war seine Situation keineswegs beneidenswert. Das wurde ihm schnell klar, als gegenüber ein Mann im Nachthemd das Fenster aufriß und herunterschrie: »Hallo, brauchen Sie einen Sanitätswagen … oder soll ich die Polizei verständigen?«
Das fehlte gerade noch. Wo er die Vorfahrt nicht beachtet, einen Unfall verursacht und etliche Promille im Blut hatte. Auch mit wenig Phantasie konnte er sich ausmalen, was ihm alles passieren konnte.
Zunächst mal kostete ihn das den Führerschein. Dann stellte ein Polizeiprotokoll fest, daß er um vier Uhr früh mit einer gewissen Janine-Marie Laurent unterwegs gewesen war, und weil es sich nicht um seinen eigenen Wagen handelte, erfuhr natürlich auch Gaby als Besitzerin des Sportwagens sofort die Umstände des Unfalles.
»Nicht notwendig«, rief Jürgen deshalb zurück. »Wir sind gleich wieder flott. Nur Blechschaden.«
Aber ganz so einfach ging das nicht. Trotz dieser
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