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Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schlank, dunkle Augen. Und er hielt sie fest beim Tanz, und mal berührten sich auch ihre Gesichter, aber sonst geschah nichts. Nur ihre Hände waren heiß, und ihr Herz schlug schneller, und sie hätte ewig weitertanzen wollen.
    »Sie haben noch gar nichts über sich erzählt«, sagte er plötzlich am Tisch nach so einem Tanz.
    Seltsam, Janine spürte nicht die geringste Lust, ihm ihr wahres Schicksal zu erzählen. Sie log nicht zum erstenmal, aber sie log zum erstenmal mit Begeisterung. So, als sei sie plötzlich froh, in die neue Haut der Janine-Marie Laurent geschlüpft zu sein.
    »Was?« fragte Jürgen kopfschüttelnd, »Sie sind blond, blauäugig und stammen aus Afrika?«
    »Mein Vater war Franzose, meine Mutter eine Deutsche«, schwindelte sie weiter. »Wir hatten an der Elfenbeinküste eine Kaffeeplantage, dort bin ich aufgewachsen …«
    Janine plapperte weiter. Es machte ihr Spaß, die Überraschung in seinen Augen zu lesen. Zum erstenmal flirtete sie mit ihrer falschen Vergangenheit.
    »Und Sie?« fragte sie schließlich, »Sie sind verheiratet, nicht wahr, haben Kinder und sind gerade auf Dienstreise?«
    Jürgen starrte sie an.
    »Nicht lügen«, bat sie, »es wäre schade um unseren netten Abend.«
    »Ich war verheiratet«, antwortete Jürgen mit einer fremden Stimme, »meine Frau ist gestorben. Alles, was Sie erraten haben, ist die Dienstreise, Janine.«
    »Bitte entschuldigen Sie.« Sie legte ihre Hand auf die seine. »Ich habe ganz dumm dahergeredet. Kann ich es wieder gutmachen?«
    »Sie können viel wieder gutmachen, Janine.«
    Janine senkte die Augen. Damit er die Zärtlichkeit nicht sehen sollte, die sie für ihn empfand.
    Aber dieses Gefühl war da, mit der gleichen Gewalt, mit der der Fluß Bäume entwurzelte. Wenn sie an Stephan Haller dachte, hätte sie heulen können. Lieber Gott, flehte sie, alles darf ich ihm antun, nur das nicht. Wo sind meine Skrupel geblieben, wo meine Gewißheit, daß ich eine verheiratete Frau bin, wo mein Entschluß, daß ich überhaupt nicht lieben darf, weder den einen noch den andern? Wo sind alle meine Vorsätze hingekommen?
    Dieses schreckliche Bartrio spielte schon wieder. Paare lösten sich von ihren Tischen und traten auf die Tanzfläche. Die meisten tanzten eng umschlungen, küßten sich, hatten die Welt ringsum vergessen. Sie beide waren eine Ausnahme.
    Wirklich?
    Sah sie nicht in dem großen Wandspiegel ihr Gesicht? Den Glanz in ihren Augen, dieses Flimmern? Hatte sie gestern, vorgestern, seit sie sich an ihr Leben erinnern konnte, je so ausgesehen?
    Ein netter Abend. Nicht mehr. Das hatte sie noch vor zwei Stunden gewollt. Und jetzt hätte sie ihm erlaubt, sie auf der Tanzfläche zu küssen. Was heißt, erlaubt? Gewünscht hätte sie es sich.
    Nein, widerrief sie sogleich in Gedanken. Es ist alles Einbildung, Hexerei. Um einen Mann zu lieben, muß man ihn kennen. So gut kennen, wie sie Stephan kannte. Oder noch besser. Noch viel besser.
    Ich werde Jürgen nie mehr wiedersehen, dachte sie. Morgen werde ich wieder vernünftig sein. Sie wischte verstohlen Tränen aus ihren Augen.
    Doch als er sich plötzlich zu ihr herunterbeugte und seine dunklen Augen ganz nahe bei ihr waren, öffnete sie ihre Lippen. Und sie glaubte tausend Küsse zu spüren und glücklich zu sein …
    Jürgen hätte nicht denken sollen, sondern auf die Fahrbahn achten. Gabys Dreiliterwagen war für ihn ungewohnt. Und außerdem waren die Straßen jetzt gegen Morgen schlüpfrig und glatt.
    Aber er mußte ganz einfach nachdenken. Nach so einer Nacht kann man nicht wie ein normaler Mensch autofahren. Das bißchen Alkohol, nein, das machte ihm nichts. In seinem Kopf wühlten ganz andere Dinge herum.
    Er hatte nicht das Gefühl, durch München zu fahren, sondern geradewegs in die Hölle. Der Ausweg, den er finden wollte, war in der Sackgasse gemündet. In einer grausamen, unvorstellbaren Sackgasse.
    Er war der Gefangene seines eigenen Spiels geworden. Janine saß neben ihm. Und er fuhr sie jetzt brav in ihr Hotel zurück. Sie würde weiter im Sanssouci wohnen, weiter durch die Stadt spazieren, weiter zu Dr. Sartorius gehen …
    »Hast du noch eine Zigarette?« fragte sie.
    Jürgen kramte aus seiner Manteltasche ein Päckchen heraus.
    »Möchtest du auch eine?«
    »Ja, bitte.«
    Du sagten sie jetzt auch noch zueinander. Na klar, nach einem Kuß kann man nicht mehr Sie sagen …
    Ja, ich habe dich geküßt, Janine. Aber nicht aus Liebe. Nur aus Berechnung. Ich darf dich nicht mehr aus den Augen

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