Immer wenn er mich berührte
…«
Jürgen senkte den Kopf. »Sie kann nicht mehr schreiben, Herr Imhoff, Janine ist tot.«
Der Mann packte ihn entsetzt beim Arm. »Um Gottes willen, davon habe ich überhaupt nichts gewußt. Seit wann denn?«
»Die Beerdigung war kurz vor Weihnachten.«
»Krebs?«
Der Einfachheit halber nickte Jürgen. Imhoff zog verstört seinen Hut. »Mein Beileid, Herr Siebert. Ich kann verstehen, wie Ihnen zumute ist …«
Jürgen war froh, als er sich endlich verabschieden konnte. Diese Begegnung hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Wer war das?« erkundigte sich Gaby.
»Janines früherer Arbeitgeber.«
»Na, und?«
»Nichts.«
Gaby hielt ihn plötzlich am Mantelärmel fest. »Was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte, wo hast du sie hingebracht?«
»Ich habe das noch nicht erledigt«, antwortete er leise.
»Was heißt das?« fragte sie und blieb stehen.
Müde zuckte er die Achseln. »Mir war übel, ich konnte nicht mehr, ich hatte keine Kraft mehr, verstehst du?«
»Ich verstehe gar nichts«, zischte Gaby wütend. »Soll das heißen, daß du die Leiche einfach in unserem Jagdhaus liegen gelassen hast?«
»Ja.«
»Bist du verrückt?« Es kostet sie Mühe, ihn nicht anzuschreien.
Er sah sie flehend an. »Gaby, in solchen Augenblicken hört das normale Denken auf. Ich wollte nichts wie raus, raus …«
Ihr kalter Blick ließ ihn verstummen. »Du willst doch nicht im Ernst nach Rom fliegen, solange die Spuren nicht verwischt sind?«
»Nur zwei Tage«, bettelte er. »Danach ist doch immer noch Zeit, um sie wegzuschaffen.«
»Nein«, bestimmte sie. »Denn leider ist es jetzt auch mein Risiko. Was glaubst du, was passiert, wenn die Tote in unserem Jagdhaus entdeckt wird?«
Jürgen schwieg.
Von Liebe war jetzt nicht mehr die Rede. Hart und böse klangen ihre Worte: »Ich habe keine Lust, mit dir ins Zuchthaus zu gehen. Ich sehe ein, daß ich dir zuviel zugetraut habe. Schau in den Spiegel da drüben, die Angst steht dir ins Gesicht geschrieben.«
»Gaby, sei still.«
Der drohende Unterton in seiner Stimme und sein verzerrtes Gesicht brachten sie zur Besinnung. Ruhiger fuhr sie fort: »Wir müssen jetzt die Nerven behalten, Liebling. Ich werde mit dir zurückfahren.«
»Warum nicht morgen?« fragte er.
Ihr Gesicht war wie aus Stein. Hatte er es je geküßt, dieses fremde, unerbittliche Gesicht? Aber wer dachte jetzt noch an Küsse.
»Begreif doch endlich, daß wir keine Minute verlieren dürfen.«
Noch ehe sie den Ausgang erreicht hatten, dröhnte es über den Lautsprecher: »KLM bittet die Passagiere nach Rom dringend zum Abfertigungsschalter zu kommen.«
»Die Flugkarten verfallen nicht«, sagte Gaby. »Wir werden ein andermal nach Rom fliegen.« Sie lächelte, und dieses Lächeln gelang ihr so gut, daß er sie dafür haßte. »Wir werden den Frühling ein bißchen verschieben.«
Jürgen stieß die Tür auf, sie traten in die Nacht hinaus.
Dr. Haller blickte Karsch verblüfft an. »Was soll das?«
»Offenbar haben sie es sich anders überlegt«, antwortete der Detektiv. »Aus irgendeinem Grund nehmen sie nicht die Maschine nach Rom. Sie gehen zum Parkplatz rüber. Jetzt dürfen wir uns auf keinen Fall abschütteln lassen.«
Die beiden rannten ebenfalls zum Parkplatz.
»Was ist das für ein Grund? Mir gefällt die Sache immer weniger«, bemerkte Haller nervös. »Ich hätte Lust den Kerl zu packen und einfach zur Rede zu stellen.«
»Das wäre ein Fehler, Doktor, wir gäben damit unseren Vorteil aus der Hand.«
»Ich sehe keinen Vorteil.«
»Doch. Die zwei wissen nicht, daß sie verfolgt werden. Wenn wir beispielsweise von der Annahme ausgehen, daß sie Janine entführt haben, dann könnte es leicht sein, daß sie jetzt zu dem Versteck fahren.«
Haller preßte die Lippen aufeinander. Bis jetzt hatte Karsch recht gehabt. Die Verfolgung dieses Fräulein Westphal hatte sich gelohnt. Tatsächlich war Jürgen Siebert erschienen. Was die beiden miteinander sprachen, konnten sie von ihrem Beobachtungsposten aus nicht verstehen. Nur ein Umstand war Stephan aufgefallen, und er war nicht dazu angetan, seine Besorgnis zu zerstreuen: Janines Mann bot einen jämmerlichen Anblick. Er sah aus wie ein gehetztes Tier. Mit dem lachenden Jürgen Siebert, dessen Fotografie er in der Tasche hatte, besaß er nur wenig Ähnlichkeit.
Was war es, das ihn so verstörte?
Vor ein paar Minuten hatte Haller zum letzten Mal mit dem Hotel Sanssouci telefoniert. Wieder die gleiche stereotype Antwort: Nein, Fräulein
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